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Gesundheit: Der Anfang vom Ende der FU?

Wer an der Freien Universität Germanistik, Jura oder Politologie studiert, merkt wenig davon, dass es an seiner Alma mater auch Mediziner gibt. Das Klinikum in Steglitz liegt für viele so weit weg wie ein ferner Planet, und manchem würde es gar nicht auffallen, wenn es nicht mehr da wäre.

Wer an der Freien Universität Germanistik, Jura oder Politologie studiert, merkt wenig davon, dass es an seiner Alma mater auch Mediziner gibt. Das Klinikum in Steglitz liegt für viele so weit weg wie ein ferner Planet, und manchem würde es gar nicht auffallen, wenn es nicht mehr da wäre. Ist es überhaupt so wichtig, ob eine Universität eine "Voll-Universität" ist? Kann ein Philosoph, eine Theaterwissenschaftlerin, ein Jurist, eine Mathematikerin nicht genauso gut ohne Medizinfakultät leben?

Nein, nein und nochmals nein, ist die Antwort, wenn man FU-Professoren anderer Fachbereiche zu ihrer Meinung befragt. Die Empörung über die Koalitionsvereinbarung ist einhellig und kommt spontan herausgesprudelt, von einem "verheerenden Schaden" ist die Rede, von "horrender Unglaubwürdigkeit", einem "Anschlag auf die Wissenschaft schlechthin", einer "Katastrophe". Einige befürchten den "Anfang vom Ende der FU", andere halten das für übertrieben - "man soll kein Schreckgespenst herbeireden". Alle aber sehen den Plan der rot-roten Koalition, die Medizin der FU zu schließen, als, mindestens, einen "groben Fehler" an. Die Mediziner können auf die Solidarität ihrer geistes- und sozialwissenschaftlichen Kollegen vertrauen - nicht zuletzt, weil die sich selbst angegriffen fühlen.

Aus verschiedenen Gründen: Da ist zunächst einmmal die Wirkung auf den Ruf Berlins. "Nach so einer Entscheidung wird es auch für uns schwerer, hochqualifizierte Leute zu berufen", sagt der Verwaltungs- und Völkerrechtler Philip Kunig. "Die überlegen sich doch dreimal, ob sie in eine Stadt gehen, in der sich die Politiker nicht an ihre Wahlversprechen und die Hochschulverträge halten. Wer weiß schon, ob er nicht als nächster drankommt?" Kunig weist auch darauf hin, dass das UKBF sich auf eine Kritik des Wissenschaftsrats hin in den letzten Jahren nachweislich gesteigert habe und positiv begutachtet worden sei: "Wenn solche Anstrengungen nicht honoriert werden, können wir sie uns auch gleich sparen. Wozu noch Begutachtungen durch den Wissenschaftsrat?" Er sieht eine "enorme Demotivation", die die gesamte FU betrifft.

Die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte schätzt den Schließungsplan gar als Versuch ein, "die Geschichte umzuschreiben": "Die FU und das UKBF erinnern doch durch ihre pure Existenz daran, dass es die Diktatur gegeben hat, dass im Ostteil kein freies Studium möglich war - das soll jetzt ausradiert werden."

Auch inhaltliche Gründe sprechen nach Auffassung der Geistes- und Sozialwissenschaftler dagegen, der FU ihren größten Fachbereich zu nehmen. Schließlich gibt es in fast jedem Fach Themen, bei denen Nicht-Mediziner mit Medizinern zusammenarbeiten können - der Politologe Elmar Altvater nennt die Biopolitik, Gentechnologie, Eugenik, die Philosophin Sybille Krämer die neurophysiologischen Grundlagen von Bewusstsein und Geist, der Jurist Kunig die Menschenwürde und das Grundrecht auf Leben, die Informatikerin Elfriede Fehr die Bioinformatik und Bildverarbeitung. Ob historische Anthropologie, Soziologie oder Psychologie - die Bezüge zu Medizin und Biowissenschaft sind offenkundig. "Wir können uns als Geisteswissenschaftler nicht einfach hinstellen und sagen, der Körper geht uns nichts an", sagt Sybille Krämer.

Bisher kann von einer umfangreichen Kooperation zwischen Medizinern und Geistes- und Sozialwissenschaftlern allerdings nicht gesprochen werden. Es gibt punktuelle Zusammenarbeit: etwa die Doktorarbeit zur Eugenik, die von einem Mediziner und einem Politologen betreut wird, die Promotion in Gentechnik-Recht, Ringvorlesungen, in denen auch Mediziner sprechen, Graduiertenkollegs mit Beteiligung von Medizinern. Könnte man da nicht auch mit der HU zusammenarbeiten? "Forschungszusammenhänge laufen auch über persönliche Kontakte", sagt Vizepräsidentin Klann-Delius. "Die Vernetzung im eigenen Hause ist am leichtesten."

Ein zartes Pflänzchen also ist die Interdisziplinarität, die so gern beschworen wird. Aber "in den letzten Jahren ist einiges gewachsen", sagt Erika Fischer-Lichte. "Es wäre dumm, das jetzt abzuschneiden." Und Elfriede Fehr, die 1996 erfolgreich gegen die geplante Abwicklung des Studiengangs Informatik gekämpft hat, seufzt: "Wir hoffen, dass sich die Vernunft durchsetzt."

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