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Gesundheit: Der Osten lockt

Mit Geldgeschenken und Segeltörns: Wie Universitäten in den neuen Ländern für ein besseres Image kämpfen

„Für Studenten nehmen wir richtig Geld in die Hand“, sagt Jana Schwedler, Sprecherin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Die Hochschule schaltet unzählige Annoncen, präsentiert sich auf Messen im In- und Ausland und hat sogar eine neue Stelle geschaffen: Ein „junger, motivierter Viadrina-Absolvent“ soll künftig durch die Republik reisen und an Schulen für seine Uni werben. Wer als Student kommt, dem erlässt die Stadt die Semestergebühren von mehr als 200 Euro – „ein einmaliges Willkommensgeschenk“, sagt Schwedler.

Die Viadrina hat das gleiche Problem wie viele Hochschulen in den neuen Ländern: „Wegbrechen“ werde dort die Studiennachfrage in den nächsten Jahren, heißt es in einem Papier des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Der demographische Wandel greife im Osten schon früher. Hinzu komme: Nur vier Prozent der Westabiturienten beginnen ein Studium im Osten, aber mehr als ein Viertel der dortigen Schulabgänger studiert an einer West-Hochschule. In Sachsen und Sachsen-Anhalt könnte sich binnen eines Jahrzehnts die Zahl der Studienanfänger halbieren. Anders im Westen: Um mehr als 50 Prozent dürfte die Zahl der Erstsemester in Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg steigen. Im Osten müsse man sich, so die Hochschulexperten, fragen: Wie können wir den bevorstehenden Studentenberg „umlenken“?

Nach Antworten suchen die neuen Länder nun gemeinsam. Eine „Image- und Hochschulmarketing-Kampagne“ für den Osten ist das Ziel. Ein erster „Workshop“ mit Vertretern aus Ministerien, Hochschulen und Firmen sowie PR-Fachleuten fand vor kurzem in Wittenberg statt. Gerhard Wünscher, der für das Kultusministerium Sachsen-Anhalts teilnahm, sieht als wichtigste Erkenntnis: „Der Osten hat ein Imageproblem.“ Oft sei „tief im Westen“ nicht angekommen, dass es in den neuen Ländern nicht nur kaputte Straßen und marode Hochschulen gebe. „Unsere Enkelin studiert jetzt in der DDR“, hätten Bekannte aus Nordrhein-Westfalen schon gesagt. Zudem brauche es „eine Debatte darüber, wer in den Osten kommt“. Die Hochschulen dort wollten nicht „nur Bewerber zweiter Klasse“, die woanders keinen Studienplatz fänden.

Unis in Ost und West könnten gemeinsame Studiengänge anbieten, um sich „Erstsemester zu teilen und auch in den Osten zu ziehen“. Damit die Kampagne der neuen Länder möglichst viele gute Abiturienten anspricht, müsse das „Gesamtpaket Studieren und Leben im Osten" stimmen – man strebe, sagt Wünscher, eine stärkere Kooperation mit Unternehmen an, die den Bewerbern signalisiere: „Hier gibt es durchaus einen Arbeitsmarkt.“

Trotz der Kooperation gilt jedoch: Die Ostunis konkurrieren im Kampf um Studienanfänger. An den Hochschulen und in der Landespolitik wird schon jetzt an eigenen Imageoffensiven gewerkelt und mit Lockangeboten geworben: Geldgeschenke, Gutscheine, Kinderbetreuung, Kulturrabatte oder ein Segeltörn für Studienanfänger – der Osten tut einiges, um sich dem Trend entgegenzustemmen. Geht es nach Klaus Dicke, Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, soll seine Stadt die „studentenfreundlichste in Europa“ werden. Eine „Arbeitsgemeinschaft Studentenparadies Jena" aus Politik, Wissenschaft und Unternehmen hat sich gegründet, damit „in Zukunft niemand an Jena vorbeikommt“. Auch in Brandenburg arbeite man an einem Konzept, das das Land zu „einer der attraktivsten Studentenregionen“ machen soll, sagt Holger Drews vom Wissenschaftsministerium : „Wir setzen auf die familienfreundliche Uni“. Wohnheime könnten Tagesmütter anstellen, die sich um den Nachwuchs der Studierenden kümmern. Bislang gebe das nur an wenigen Standorten.

Dass viele Städte ihren Studenten stattliche Prämien für einen Umzug in den Osten zahlen, ist laut Drews „sicherlich auch ein guter Anreiz“. So erhält ein Student, der seinen Hauptwohnsitz nach Brandenburg an der Havel verlegt, eine „Wohnsitzprämie“ von 100 Euro pro Jahr. In Erfurt gibt es sogar jedes Semester so viel. Mit dem Slogan „In Magdeburg studieren und Geld kassieren“ bewirbt Sachsen-Anhalt ein „Bonusprogramm“, das insgesamt 160 Euro über zwei Jahre verteilt auszahlt. Wer allerdings vor Ablauf des Zeitraums wieder wegzieht, muss den Betrag zurückerstatten. Den Bonus gebe es schließlich „fürs Bleiben“, heißt es aus dem Bürgerbüro der Stadt.

Eher mit touristischen Höhepunkten wirbt Mecklenburg-Vorpommern. Sonne, Sandstrände, Surfer und der Slogan „Lernen, wo andere Urlaub machen“ – die eigens produzierte Imagebroschüre spreche „ die Interessen vieler Studienanfänger“ an, sagt Christine Harcks, Mitarbeiterin im Landesmarketing Mecklenburg-Vorpommern.Das Heft in Ostsee-Optik, das an Schulen verteilt wird, gehe „weg wie warme Semmeln“, sagt Harcks. Sie sei optimistisch, dass es mit freien Studienplätzen bald genauso läuft. Obendrein werde unter Erstsemestern in Greifswald ein Segeltörn verlost, eine Umzugsprämie und Ermäßigungen fürs Strandbad gebe es ebenfalls.

Auf Freizeit- und Kulturrabatte setzen auch Sachsens Unis. In Dresden winken gleich 24 Gutscheine als „Kulturbonbons für Erstsemester“. Außerdem will der Freistaat sich über einzigartige Studiengänge profilieren: „Wir versuchen Fächer anzubieten, die es in Deutschland nur bei uns gibt“, heißt es aus der TU Chemnitz. „Natürlich gehen wir auch mit den Ergebnissen der Uni-Rankings offensiv um“, sagt Mario Steinebach, Sprecher der TU. In der CHE-Rangliste schneiden die Ostunis seit Jahren besonders bei Ausstattung, Studiendauer und Betreuung sehr gut ab.

„Solche Zahlen an den Schulen bekannt machen“ – das sieht auch Gerhard Wünscher aus dem Kultusministerium in Sachsen-Anhalt als Ziel der Ostkampagne. Noch eine weitere Hoffnung verbinde die Hochschulen im Osten. Die Studenten sollten „nach dem Studium bleiben und den Bevölkerungsschwund stoppen".

Tina Rohowski

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