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Gesundheit: Der Schlüssel zur Spitze

Eine Hochleistungs-Uni braucht mehrere Milliarden Euro und Freiheit vom Staat, damit sie kein Luftschloss bleibt

Als die Sozialdemokraten in Weimar die staunende Öffentlichkeit mit der Idee von Spitzenuniversitäten in Deutschland beglückten, nannte Generalsekretär Olaf Scholz zwei Beispiele: Harvard und Standford. Nehmen wir ihn beim Wort. Wie sieht die Universität Standford aus? Sie verfügt über einen Jahresetat von 2,2 Milliarden Dollar, lässt nur 14 000 Studenten zu und verlangt pro Jahr 34 000 Dollar Studiengebühren. In Berlin müssen vier Universitäten und vier staatliche Fachhochschulen jährlich mit 1,1 Milliarden Euro einschließlich der teuren Medizin auskommen, und damit wird die Betreuung von 139 000 Studenten mehr schlecht als recht gewährleistet. Studiengebühren werden nicht verlangt. Man muss sich das auf der Zunge vergehen lassen: Für ein Zehntel der Studenten sorgt die Stanford University mit einem Etat, der fast doppelt so hoch ist wie die Aufwendungen für acht Hochschulen in Berlin.

Effekthascherei?

„Gute Universitäten sind teuer“ – das hat der einstige Präsident der Stanford University, Gerhard Casper, bei seinem Deutschlandbesuch im Jahr 2001 den Politikern ins Stammbuch geschrieben. Bundeswissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn sieht sich schon zuständig für die Eliteuniversitäten, weil der Bund die dafür erforderlichen zusätzlichen Gelder aufbringen wolle. Um diese vagen Ankündigungen auf eine realistische Basis zu stellen, sind Antworten auf zwei Fragen nötig: Wie soll die Rechtskonstruktion für Eliteuniversitäten aussehen, und wo soll das Geld herkommen? Solange die SPD keine exakte Angaben darüber macht, bleibt die Weimarer Erklärung nur Effekthascherei. Der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Erich Thies, spricht von dem Versuch, im Wahlkampfjahr 2004 ein Terrain zu besetzen, auf dem der Bund keine ausreichende Zuständigkeit besitzt. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber nennt die Idee ein „Luftschloss“.

Mit 100 Millionen Euro mehr im Jahr ist es nicht getan. Das war die erste Zahl, die der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker, in den Ring geworfen hat. Das wären bei zehn Spitzenuniversitäten nur zehn zusätzliche Millionen für den Etat jeder Elitehochschule. Damit könnte man nur einige Sonderforschungsbereiche finanzieren. Sollte die SPD eine Elitehochschule nur von der Forschung her sehen, hätte sie von dem Charakter einer Eliteuniversität wenig begriffen. Spitzenuniversitäten beginnen mit der Lehre. Auch diese Einsicht hat Gerhard Casper aus Stanford den deutschen Politikern nahe zu bringen versucht: Die besten Professoren kümmern sich um die Studienanfänger, damit die Bachelorstudenten für das Abenteuer Wissenschaft begeistert werden können. Von unten wird die künftige Elite herangebildet. Die herausragende Leistung in der Forschung ist selbstverständlich.

Für die Lehre sind in Deutschland jedoch ausschließlich die Länder zuständig. Damit stellt sich die Frage, wie der Bund verfassungsrechtlich für Eliteuniversitäten zuständig werden will? Das könnte ein Thema für die Föderalismusreform werden, müsste dann aber von Edmund Stoiber und Franz Müntefering aufgegriffen werden. Bisher gibt es nur zwei Einfallstore für den Bund, um überhaupt in den Hochschulen mitreden zu können: die Mischfinanzierung des Hochschulbaus durch Bund und Länder (sie ist in der Föderalismusreform gefährdet) und die Förderung von Forschungsprojekten über die Ministerien oder indirekt über die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Und dann gibt es noch den  Artikel 104a des Grundgesetzes, der es dem Bund erlaubt, den Ländern Finanzhilfen für besondere Investitionen zur Verfügung zu stellen, aber dabei muss es sich um bedeutende Beträge handeln, und die dürfen nur eingesetzt werden, um die Störung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren oder um das wirtschaftliche Wachstum zu fördern. Damit hat der Bund seine Vier-Milliarden-Offerte an die Länder zur Einrichtung von Ganztagsschulen ermöglicht. Aber diese Passage in dem Artikel steht jetzt in der Föderalismusreform zur Disposition.

Abgesehen von der Finanzierung, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen. Über sie sind sich die Kenner im Wissenschaftsrat, im Stifterverband, im Centrum für Hochschulentwicklung und in der Wirtschaft einig: Die Hochschulen müssen sich die besten Studenten selbst aussuchen. Zuweisungen nach Kapazitätsformeln durch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) werden damit obsolet. Die Studenten müssen Studiengebühren zahlen, weil anders die benötigten Gelder nicht aufzubringen sind. Ohne Freiheit vom staatlichen Einerlei geht es nicht. Warum? Spitzenuniversitäten können sich international nur behaupten, wenn sie jederzeit zu einer rücksichtslosen Schwächenanalyse fähig sind und sich immer von schwachen Fächern und Wissenschaftlern befreien.

Mit ausufernder Mitbestimmung nach dem Motto „Keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus“ und Kompromissen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner lässt sich eine Eliteuniversität nicht gestalten. Über allem muss ein Aufsichtsrat stehen, in dem führende Vertreter aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Gesellschaft die Richtungsentscheidungen treffen. Mit Kuratorien, die nach dem Muster von Rundfunkräten zusammengesetzt sind, lässt sich eine Eliteuniversität nicht leiten. Auch deutsche Universitäten brauchen starke Präsidenten, die an keine Wahlkapitulationen gegenüber Gremien gebunden sind. Und starke Dekane sind unverzichtbar. Sonst wird die Reform von unten blockiert. Alle diese Voraussetzungen sind in Deutschland nur vereinzelt und lediglich in Ansätzen versucht worden: in Baden-Württemberg, in Bayern und Niedersachsen oder in den Reformsatzungen der Humboldt-Universität und der FU in Berlin.

Geld aus der Stiftung

Will man die verschiedenen Geldgeber als Träger zusammenführen, dann gibt es nur einen Weg: die Gründung von Stiftungsuniversitäten. Das hätte den Vorteil, dass Bund, Länder und die Wirtschaft im Stiftungs- oder Hochschulrat beteiligt werden können. Auch die Spitzenwissenschaftler können dann attraktiver bezahlt werden. Im Idealfall benötigt eine Stiftungsuniversität ein milliardenschweres Stiftungskapital, aus dessen Zinserträgen (fünf Prozent per anno) die Einnahmen langfristig fließen.

Nehmen wir als Berechnungsgrundlage eine Volluniversität mit 20 000 bis 30 000 Studenten. Ohne einen Jahresetat von 400 bis 500 Millionen Euro ist sie nicht zu führen, wenn man ein wenig an Elite denkt. Um einen dauerhaften Betrag in dieser Größenordnung aus den Zinserträgen zu erwirtschaften, ist ein Grundkapital im Stiftungsfonds von mindestens acht Milliarden Euro nötig. Kein Wunder, dass der Wissenschaftsrat nicht daran denkt, für jedes Land eine Spitzenuni zu empfehlen – das wären 16. Auch die Idee von Wissenschaftsministerin Bulmahn, acht bis zehn Spitzenunis im Wettbewerb zu ermitteln, hat keine ungeteilte Zustimmung erhalten. Dem Wissenschaftsrat wären fünf oder sechs Spitzenuniversitäten genug, damit sich Deutschland international behaupten kann.

Uwe Schlicht

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