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Gesundheit: Der Schmelztiegel

Berlins größte Fachhochschule, die FH für Technik und Wirtschaft, wird zehn Jahre alt – und will endlich umziehen

Zehn Tage Party, zehn aufwendige Veranstaltungen, zehn gewichtige Redner: Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Vier Jahre nach der Wiedervereinigung waren die Ingenieurhochschule Berlin in Lichtenberg, die Ingenieurschule Berlin-Wartenberg und die Hochschule für Ökonomie in Karlshorst unter dem Dach einer Fachhochschule verschmolzen. Heute ist die FHTW die größte Berliner Fachhochschule. Sie hat mehr als 8000 Studenten, 300 Professoren und Dozenten sowie 300 Mitarbeiter. Beinahe vierzig Studiengänge bietet sie an – verteilt auf fünf Standorte. Der jährliche Zuschuss des Landes beträgt 39 Millionen Euro.

„Als wir 1994 die FHTW gründeten, waren unsere Studenten noch Kinder der DDR“, erinnert sich Dieter Markusch, der bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2000 das Fach Energieanlagen unterrichtete. „Damals kamen die jungen Leute, die bei uns Technik studieren wollten, bis auf wenige Ausnahmen aus den neuen Bundesländern.“ Dieter Markusch war 1988 auf eine Professur an der Ingenieurhochschule in der Marktstraße am Ostkreuz berufen worden. Damals studierten dort rund 1500 junge Menschen. „Auch nach der Wende stammte der Lehrkörper der FHTW in den technischen Fächern noch aus der DDR“, erzählt er.

Markusch hat die Gründung der FHTW als Dekan und Vizepräsident wesentlich mitgestaltet. Er beschreibt die zehnjährige Geschichte der FHTW als Dekade des Wandels: „Die heutigen Studenten haben einen ganz anderen Hintergrund“, berichtet er. „Sie beginnen ihr Studium meist ziemlich locker, genießen die neue Freiheit nach dem Gymnasium. Doch spätestens ab dem dritten Semester merken sie, dass Leistung gefragt ist.“ Er bemerkt, dass die jungen Leute weltoffener und selbstständiger sind, aber auch respektloser gegenüber ihren Professoren. „Da wird einem als Professor das Du angeboten“, sagt er. „Manchmal gehen die Studenten während der Vorlesung raus, um Kaffee zu trinken oder eine Zigarette zu rauchen.“

Nicht nur andere Studenten, auch andere Kollegen machten die neue FHTW zu einem kleinen Schmelztiegel der Wiedervereinigung. Blieben in den Technikfächern die ostdeutschen Dozenten weitgehend unter sich, kamen die Dozenten in den Wirtschaftswissenschaften und in den künstlerischen Fächern wie Design überwiegend aus Westdeutschland und dem Westteil von Berlin. Diese Mischung lähmte die Experimentierfreude nicht: Die FHTW war die erste Berliner Hochschule, die ihre Verwaltung modernisierte und eine Kosten-Leistungs-Rechnung einführte. In das Kuratorium der Hochschule wurden externe Fachleute berufen, der Einfluss der Politik wurde zurückgedrängt. Mehr Autonomie, weniger Gängelung durch den Staat – dafür erhielt die FHTW 2001 den Titel einer für Deutschland vorbildlichen „Best-practice-Hochschule“, den die Bertelsmann-Stiftung und das Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh jährlich vergeben. An der FHTW entstand ein eigenes Existenzgründerzentrum, der erste Brutkasten für junge Unternehmen von Absolventen einer ostdeutschen Fachhochschule überhaupt. Mit einer Forschungsoffensive will die FHTW ihre Kompetenzen beispielsweise im Umweltschutz oder in der Restaurierungstechnik weiter ausbauen. 17 Prozent aller Professoren an der FHTW sind Frauen, weit mehr als der Bundesdurchschnitt von zehn Prozent. 2001 kürte der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft die FHTW zur deutschen „Reformhochschule“.

Auch in der Ausstattung zeigte sich die Hochschule kreativ. Innerhalb weniger Jahre schaffte sie den Sprung an die Spitze: „1990 standen im Rechenzentrum der damaligen Hochschule für Ökonomie noch zwei DDR-Großrechner“, erzählt Thomas Schmidt, der Leiter des Rechenzentrums der FHTW. „Nach der Grenzöffnung hielten moderne PCs Einzug. Ab Mitte der 90er haben wir massiv in den Ausbau der Datennetze und der IT-Ausstattung investiert.“ Heute verfügt die FHTW über das modernste Netzwerk unter den Berliner Hochschulen. Mit Bordmitteln der Hochschule, aber vor allem mit Mitteln vom Bund und von der Europäischen Union wurde die Verkabelung der fünf FHTW-Standorte vorangetrieben. Zwar sitzt die Hochschule noch immer in den alten Gebäuden ihrer DDR-Vorgänger: in Blankenburg, in der Allee der Kosmonauten, am Warschauer Platz, in der Marktstraße am Ostkreuz und in der Treskowallee in Karlshorst. Doch: „Bis Ende 2004 wollen wir alle wichtigen Bereiche der Hochschule an unser Hochgeschwindigkeitsnetz anschließen“, sagt Thomas Schmidt.

Die größte Herausforderung steht der FHTW jedoch noch bevor. Zehn Jahre nach dem Gründungsakt keimt nun die Hoffnung, dass die Zeit der Provisorien abläuft. Im Landeshaushalt 2004/2005 ist die erste Tranche von 15 Millionen Euro vorgesehen, um das frühere AEG-Gelände und Kabelwerk Oberspree in Oberschöneweide für die Hochschule auszubauen. Nach dem Umzug wäre die FHTW nur noch auf zwei Standorte in Oberspree und Karlshorst verteilt. Von baulichen Problemen befreit, könnte sie dann mehr als 10 000 Studenten aufnehmen – auf einem der größten Wassergrundstücke im Berliner Stadtgebiet.

Heiko Schwarzburger

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