zum Hauptinhalt

Gesundheit: Deutschland muss stark sein – weil Polen schwach ist

Viadrina-Preis für den ehemaligen Botschafter Janusz Reiter

Wie steht es um die deutsch-polnischen Beziehungen elf Jahre nach der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages und zwei Jahre vor der Aufnahme Polens in die Europäische Union? Der ehemalige polnische Botschafter in der Bundesrepublik, Janusz Reiter, nutzte die Ehrung mit dem Viadrina-Preis des Jahres 2002 zu einer verhalten optimistischen Bilanz. „Viele Polen haben Angst vor der deutschen Stärke, aber Polen braucht ein starkes Deutschland, um die eigene Schwäche zu überwinden“, sagte Janusz Reiter gestern in Frankfurt (Oder).

Dieser Grundaussage über die beiderseitigen Beziehungen seit dem Zusammenbruch des Kommunismus fügte Reiter die Beschreibung des aktuellen Zustandes an. Leider durchliefen zurzeit beide Länder eine Periode der Schwäche. Deutschland strahle keine Zuversicht mehr aus und habe keine Antworten auf die Europa bewegenden Fragen: Wie schafft man Wohlstand, löst soziale Probleme und fördert Wachstum? Von Deutschland müssten endlich wieder Impulse ausgehen – im Interesse der Erweiterung der EU.

Aber auch Polen erlebe eine Periode der Schwäche: Die Wirtschaft lahmt und in der Bevölkerung wird der EU-Beitritt nicht mehr als Allheilmittel für die Lösung aller Probleme angesehen. Populisten nutzten die Situation aus, um eine darwinistische Vision von Europa zu entwerfen, in der die Schwächeren von den Stärkeren zerrissen werden. Reiter rief dazu auf, in Polen eine harte Debatte zu führen, damit die Bevölkerung beim Referendum über den EU-Beitritt im kommenden Jahr ein bewusstes Ja zu Europa äußern könne – frei von falschen Illusionen.

Optimistisch beurteilte Reiter die erreichte Intensität der deutsch-polnischen Beziehungen. Diese Intensität sei irreversibel. Besonders das Zusammenwachsen Europas in der Grenzregion von Oder und Neiße spreche für die Chancen der EU-Erweiterung. In diesem Sinne befürwortete Reiter die geplante Umwandlung der Europa-Universität Viadrina von einer brandenburgischen Landesuniversität in eine europäische Stiftungs-Universität. Sie soll von den drei Ländern Polen, Deutschland und Frankreich getragen werden.

Reiter will den mit 5000 Euro dotierten Viadrina-Preis spenden, damit ein junger Pole in Deutschland studieren kann. Der Viadrina-Preis ist durch die herausragenden Träger der letzten Jahre begehrt. Der Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass erhielt ihn im vergangenen Jahr, der polnische Regimekritiker und Journalist Adam Michnik war der Preisträger im Jahr 2000. Der Übersetzer und Schriftsteller Karl Dedecius erhielt den Preis 1999. Entsprechend war die Festveranstaltung an der Viadrina von Prominenten gut besucht. Die Laudatio auf Janusz Reiter hielt der bisherige Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Bundestages, Hans-Ulrich Klose. Janusz Reiter ist heute wieder als Journalist in Warschau tätig und leitet gemeinsam mit der Präsidentin der Viadrina, Gesine Schwan, die Diskussions-Plattform Deutsch-Polnisches Forum.

Uwe Schlicht

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false