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Gesundheit: Die Muskeln spielen lassen

Der körperliche Abbau im Alter ist kein Schicksal: Durchtrainierte Senioren haben festere Knochen

Alt will niemand sein in unserer jugendverliebten Zeit. Doch ausgerechnet im Sport wird man früh zum „Senior“, nämlich spätestens mit Erreichen des 30. Lebensjahres – bei manchen Sportarten sogar schon mit 20.

Guido Müller ist heute 68 Jahre alt und treibt schon seit 25 Jahren „Seniorensport“. Darunter sollte man sich kein gemütliches Freizeitvergnügen vorstellen, denn der Mann, der im Jahr 1964 knapp die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio verfehlte, ist Weltbester seiner Altersgruppe im Sprint über 400 Meter. Statt von „Senioren“ spricht die internationale Fachwelt im Fall der älteren Leistungs- oder Wettkampfsportler denn auch von „Master-Athleten“. Um dazuzugehören, muss ein 60-jähriger Mann die 100 Meter mindestens in 11,7 Sekunden laufen, mit 80 darf man nur 14,35 Sekunden brauchen.

Inzwischen beginnen sich auch Mediziner für die Master-Athleten zu interessieren. „Sie sind ideale Objekte, wenn man danach fragt, wie der Bewegungsapparat sich im Alter verändert“, sagt der Muskelexperte Jörn Rittweger, der bei Leichtathletik-Europameisterschaften Untersuchungen dazu gemacht hat.

Werden „Durchschnittsbürger“ über 70 als Maßstab für die Entwicklung von Knochen und Muskeln genommen, dann verfälschen Bewegungsmangel und Begleitkrankheiten das Bild. Man ist dann leicht versucht, Knochenabbau und schwindende Muskelkraft als schicksalhafte Begleiter des Alters zu verstehen. „In Medizin-Lehrbüchern steht zum Beispiel, dass die Ausdauerfähigkeit mit dem Alter automatisch abnimmt, doch das stimmt so nicht“, sagte Rittweger jetzt beim 3. Internationalen Forum „Knochen und Muskeln – Neue Welten“ in Berlin.

Tatsächlich büßen durchtrainierte Wettkampfsportler mit dem Alter höchstens die Hälfte der Ausdauerleistungsfähigkeit ein, die untrainierte Altersgenossen verlieren. Auch der Mineralgehalt der Knochen ändert sich mit zunehmendem Alter nicht schicksalhaft. Messungen ergaben, dass die Knochendichte am Schienbein bei Läufern deutlich höher war als bei gleich alten Nichtsportlern – in vielen Fällen war sie sogar besser als bei jungen Menschen. Und obwohl die Muskelleistung bei allen Menschen im Laufe des Lebens abnimmt, liegt ein 70-jähriger Leistungssportler ungefähr 40 bis 70 Prozent oberhalb der Leistung eines nicht Sport treibenden Gleichaltrigen, wie kürzlich eine Studie der Berliner Charité zeigte.

„Es ist die Muskulatur, die den Knochen stark macht“, sagte der Kinderarzt Eckhard Schönau von der Uni Köln auf der Tagung. Er behandelt und trainiert kleine Patienten, die an der Glasknochenkrankheit leiden und deshalb extrem brüchige Knochen haben.

Für den Knochenstoffwechsel ist außerdem Vitamin D wichtig, das dafür sorgt, dass der Knochen ausreichend Kalzium aufnehmen kann. Weil die Muskelkraft beim Sport den Knochen verformt und minimal kleine Verletzungen verursacht, findet der Leiter des Zentrums für Muskel- und Knochenforschung der Charité, Dieter Felsenberg, es wichtig, dass vor allem ältere Sportler Vitamin D einnehmen, um die Reparaturprozesse im Knochen zu unterstützen.

Was ganz klar altersabhängig ist, ist die Leistung beim Springen. „Sie lässt bei älteren Sprintern genauso nach wie bei ihren Altersgenossen – allerdings auf einem wesentlich höheren Niveau“, sagte Rittweger. „Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass einige der Funktionsverluste, die bisher als Ausdruck des Alterns angesehen werden, in Wahrheit auf Bewegungsmangel und Krankheit zurückzuführen sind.“

Grund genug, auch im Alter sportlich zu bleiben. Für Rittweger ist es aber mindestens genauso wichtig, dass die älteren Sportler Spaß am Training und am Wettkampf haben; auch das belegen seine Untersuchungen. Dass Sport im Alter mit einem höheren Verletzungsrisiko verbunden ist, glaubt er nicht. „Dazu brauchen wir allerdings noch bessere Zahlen.“

Für den Großteil der älteren Sportler steht nicht das Brechen von Rekorden im Mittelpunkt, sondern Aspekte wie „Fitness, Gesundheit und das Treffen mit anderen", erklärte Dieter Massin, Präsident des Europäischen- Senioren-Leichtathletik-Verbandes. Doch während die einen sich zum Wandern verabreden und im Verein walken und joggen, schaffen andere besonders im hohen Alter ganz elementare Anforderungen des Alltags nicht mehr. 24 Prozent der Männer und 44 Prozent der Frauen über 85 können der Berliner Altersstudie zufolge nicht mehr Treppen steigen – weil die Muskeln zu schwach sind. „Keine Messgröße ist in so hohem Maß altersabhängig und zeigt so treffsicher das biologische Alter des Bewegungsapparats an wie die Muskelleistung bei schnellen Bewegungen“, sagt Martin Runge aus Esslingen. Der Altersmediziner ist davon überzeugt, dass Sport vor Osteoporose und Stürzen schützen kann. „Dafür ist neben der Balance zur Seite vor allem die Leistung der Muskeln wichtig, die die Hüfte umgeben.“ Ausdauertraining allein reicht dafür nicht. Runge, der zusammen mit Dieter Felsenberg das Buch „Sanfter Muskelaufbau“ verfasst hat (Knaur 2006), plädiert für einfache Übungen, die die Muskeln trainieren und damit aufbauen.

Adelheid Müller-Lissner

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