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Gesundheit: Die Spaß-Fraktion

An der Freien Universität Berlin wählen die Studenten. Um Programme geht es kaum – aber um viel Geld

Die Bewerber auf Listenplatz 1 sind immerhin ehrlich. Sie nennen sich „In 80 Phrasen um die Welt. Die Philosophen“. Ihr Name ist ihr Programm. Leider erfährt der interessierte Wähler nicht mal ansatzweise, welche Überzeugungen diese Gruppe hat. Dabei wäre das wichtig zu wissen, zumal es um eine Wahl geht, die fast 40000 Menschen betrifft: Die Wahl zum Studierendenparlament (Stupa) der Freien Universität Berlin.

Von diesem Dienstag bis zum Donnerstag können alle an der FU eingeschriebenen Studenten über ihre hochschulpolitischen Vertreter abstimmen. Die Wahl ist nicht unbedeutend: Das Parlament setzt den Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) ein. Außerdem beschließt es den Haushalt der Studierendenschaft, in den jeder Student pro Semester 6,65 Euro einzahlen muss; mehr als 570000 Euro Jahresetat kommen da zusammen. Der FU-Asta muss sich seit einiger Zeit gegen den Vorwurf wehren, eine undurchsichtige und verschwenderische Haushaltspolitik zu betreiben. Man muss nur mal auf die Asta-Homepage schauen: Als Verwendungszweck für Haushaltsmittel taucht da unter anderem das Stichwort „Bier“ auf.

Trotz oder gerade wegen solcher Späße wird die Wahlbeteiligung in den nächsten drei Tagen wahrscheinlich deutlich unter 20 Prozent liegen. Zwar sind Studenten durchaus politisch motiviert; die Streiks vor etwas mehr als einem Jahr haben das gezeigt. „Aber bei dieser Wahl weiß ich überhaupt nicht, für wen ich sein soll“, sagt die 22-jährige Germanistikstudentin Petra Gernreuther. „Die Wahlplakate rund um die Uni sagen ja nichts aus.“

„In 80 Phrasen um die Welt“ ist bei weitem nicht die einzige der 39 antretenden Gruppen, die Nichtssagendes in den Mittelpunkt ihrer Kampagne stellt. Die Liste „Koser Nostra“ des in der Koserstraße ansässigen Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften wirbt mit dem Slogan „Ouzo statt Juso“, die „Unabhängige Antifaschistische Liste“ hat ein Faultier auf ihren Postern abgebildet. Andere trumpfen mit absurden Forderungen auf, bei denen man sich als Wähler schon mal fragt, ob man verschaukelt wird: Die „Langzeitstudis gegen Studiengebühren“ beispielsweise wollen die „Verleihung der Ehrendoktorwürde an alle, die 30 Hochschulsemester nachweisen können“. Daniel Scharfer, der am Otto-Suhr-Institut Politologie studiert, sagt: „Es fällt mir bei den meisten Fraktionen schwer, sie ernst zu nehmen.“

Einige Gruppen, wie „Semtix“, werben für sich mit einem besonderen Trick: Sie wollen sich dafür einsetzen, dass es im kommenden Wintersemester wieder ein vergünstigtes Studententicket an der FU gibt. Auf den ersten Blick ist das ein vernünftiges Ziel. Es gibt nur einen Haken: Die Urabstimmung über einen neuen Studentenfahrschein findet zeitgleich mit der Stupa-Wahl statt. Die Entscheidung über ein Semesterticket fällt in dieser Urabstimmung und bei der BVG – nicht in der Wahl zum Studierendenparlament.

Ob die Bewerber im künftigen Stupa großen Einfluss ausüben können, hängt auch davon ab, wie sehr das Parlament zersplittert sein wird. Derzeit verteilen sich 37 Gruppierungen auf gerade mal 60 Sitze. Den Asta bilden allein 18 Fraktionen. Viel Gestaltungsraum für die einzelnen Gruppen bleibt da nicht. „Trotzdem ist es wichtig, wählen zu gehen“, findet die Sportstudentin Annika Klopp. „Ich will einen neuen Asta. Einen, der mein Geld gut anlegt.“ Zum Beispiel für geistreiche Wahlwerbung.

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