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Gesundheit: Die Stunde Null an der Provinz-Uni

Professor Hashimi aus Afghanistan wirbt um deutsche Hilfe

Die Seminare von Mohammed Azin Hashimi beginnen jeden Morgen um sieben Uhr. Nach dem langen Krieg leidet die Universität Balch unter Raummangel, also gibt es Schichtunterricht. Die erste Gruppe von Studenten lernt bis 13 Uhr bei dem Professor für Elektrotechnik. Sofort folgt die zweite Gruppe, die bis 17 Uhr bleibt. 36 Stunden lehrt Hashimi pro Woche. Zeit für die Forschung hat er nicht – aber womit sollte er auch forschen? „Wir haben keine technische Ausstattung“, sagt er. Die Studenten sitzen auf dem Boden, Hashimi muss sein Fach theoretisch an der Tafel erklären. Wenn es noch Bücher gibt, sind sie veraltet. Der Dozent lächelt, während er erzählt. Ein bodenständiger Pragmatiker, der seine Hochschule mit eigenen Händen wieder aufbaut.

Hashimi ist einer von 150 afghanischen Dozenten, die in diesen Wochen mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an deutschen Hochschulen Sommerkurse belegen. 16 von ihnen sind jetzt an der Technischen Universität Berlin angekommen, wo sie am Computer geschult werden, unter ihnen auch PC-Neulinge.

Außer Hashimi gehören alle diese Dozenten der Universität Kabul an. Doch gerade in der Provinz kommt der Wiederaufbau schwer in Gang. Balch liegt im Norden Afghanistans, in der Nähe von Mazar-i-Sharif, rund 450 Kilometer entfernt von Kabul. Die Wissenschaftler aus dem Ausland, auf die die Uni Balch so dringend angewiesen wäre, trauen sich nicht so tief ins Land hinein. „Dabei ist es bei uns völlig sicher“, sagt Hashimi. Doch die einzigen Ausländer sind zur Zeit sechs pakistanische Studenten. Immerhin hat der afghanische Regierungschef Hamid Karsai der Uni ein Stück Land zugewiesen, auf dem sie mit Geld der Weltbank ein neues Gebäude bauen kann.

Der 51-jährige Hashimi, der auch Vizekanzler der Uni ist, kam vor zehn Jahren nach Balch, als es immer gefährlicher wurde, in Kabul zu leben. Am dortigen Polytechnicum hatte Hashimi gearbeitet, seit er 1984 an der Universität Moskau promoviert wurde. „Man dachte nur an das Überleben, hatte ständig Angst, von einer Rakete getroffen zu werden“, sagt der Vater von vier Kindern. Als die Kriege endlich beendet waren, war das Bildungssystem zerstört. Noch immer sind Tausende von entwurzelten Menschen im Land unterwegs. Afghanistans Schulen und Hochschulen beginnen bei Null.

In Balch lehren Dozenten ohne jeden akademischen Hintergrund. Bislang können die 4000 Studenten, die die Aufnahmeprüfung geschafft haben, nur bis zum Bachelor studieren – Ingenieurwissenschaften, Medizin, Jura, Landwirtschaft, Wirtschaft, Literatur und Sprachen oder islamische Theologie. An der vor 15 Jahren gegründeten Hochschule saßen Männer und Frauen bis zur Machtübernahme durch die Taliban gemeinsam in den Seminaren. So ist es auch jetzt wieder. 40 Prozent der Studierenden sind Frauen, im Lehrkörper sind es knapp zehn Prozent. „Damit haben wir kein Problem“, sagt Hashimi. Politik sei an der Uni kein Thema: „Alle konzentrieren sich auf ihre Ausbildung.“

Über den Anschlag auf die Twin-Towers hätten viele Afghanen geweint, erzählt Hashimi: „Die Täter waren keine Menschen." Gleichwohl sieht er im 11. September den Beginn der Befreiung Afghanistans: „Sonst wäre alles weiter so gelaufen.“ Die Bombenangriffe der Amerikaner auf Afghanistan hält Hashimi für richtig: „Die Taliban hätten sonst noch größeren Schaden angerichtet.“ Hashimi hofft, dass er aus Berlin einen Computer mit nach Balch nehmen kann. Die Welt solle wissen, dass Afghanistan nicht alleine auf die Beine kommen könne. „Unser größter Wunsch ist, dass die deutsche Regierung uns hilft.“ Anja Kühne

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