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Gesundheit: Die Zeit kämmen

Forscher schaffen die genaueste Stoppuhr der Welt

Neben dem deutschen Physiker Theodor Hänsch haben auch zwei US-Forscher den diesjährigen Nobelpreis für Physik erhalten. Die Hälfte der Preissumme von fast 1,1 Millionen Euro bekommt Roy J. Glauber von der Harvard Universität in Massachusetts – mit 80 Jahren der älteste des ausgezeichneten Trios. Die andere Hälfte teilt sich der 63-jährige Hänsch mit dem acht Jahre älteren Physiker John L. Hall von der Universität von Colorado in Boulder.

„Eine perfekte Entscheidung“, sagt Gerard Meijer, Direktor am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin. Seit Jahren sei die Würdigung der Erforscher der Quantenoptik erwartet worden. Schließlich habe dieses Gebiet enorme Bedeutung, um herauszufinden, wie die Materie im kleinsten, also im Bereich von Atomen und Molekülen aufgebaut sei. Aber auch der Makrokosmos lässt sich Meijer zufolge mit der Quantenoptik besser ausleuchten. Denn die Spektrallinien aus den Tiefen des Weltalls, die mit der von Hänsch und Hall entwickelten Frequenzkamm-Technik sehr präzise bestimmt werden können, zeugen von den Anfängen des Universums. Sie lassen Schlüsse zu, aus welchen Elementen die Kinderstube des Alls zusammengebaut gewesen sein könnte.

Die Grundlagen der Quantenoptik legte Harvard-Forscher Glauber bereits in den sechziger Jahren. Den Pionier faszinierte die Doppelnatur des Lichts als Welle und Teilchen, und so erarbeitete er eine quantenmechanische Beschreibung des Lichts. Speziell interessierte Glauber das unterschiedliche Verhalten etwa einer Glühbirne, die einen Mix von Lichtstrahlen verschiedenster Frequenzen aussendet, und eines Laserstrahls, der nur eine einzige, genau definierte Wellenlänge aufweist. Seine Erkenntnisse darüber, wie Quantentheorie und Optik zusammenhängen, gehören mittlerweile zum Standardrepertoire jedes Physikers. „Das steht schon seit 20 Jahren im Lehrbuch“, sagt Meijer.

Da ist das „Meisterstück“ der Praktiker Hänsch und Hall neueren Datums. „Der Frequenzkamm funktioniert seit etwa fünf Jahren“, sagt Adela Marian, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Meijers Team. Den Durchbruch für diese Technik hat die Physikerin im Jahre 2000 in Halls Labor miterlebt, wo sie bis vor kurzem forschte. „Hall ist sehr freundlich“, sagt Marian. Während ihrer fünf Jahre in Boulder erlebte sie auch die enge Freundschaft der beiden Forscher mit. „Letztes Jahr ist Hänsch extra zur Feier von Halls 70. Geburtstag nach Boulder gekommen“, sagt Marian. Gleichzeitig sei Halls 40-jähriges Physikerjubiläum gefeiert worden. Fotos wurden herumgereicht, die Hänsch brachte. „Auf manchen Bildern sahen beide sehr jung aus“, sagt Marian. Da sei ihr klar geworden, wie lange die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit schon funktioniert.

Der Löwenanteil an der Entwicklung der Frequenzkammtechnik kommt wohl Hänsch zu. Er habe es geschafft, das anfangs zimmergroße Instrument auf die Größe eines Schuhkartons zu verkleinern, so Meijer. „Frequency comb“ heißt die hochpräzise Messmethode für Laser auf Englisch. Und der Ausdruck „Frequenzkamm“ beschreibt das charakteristische Resultat der Garchinger Entwicklung besonders gut.

„Die Spektrallinien ergeben ein Muster, das aussieht wie die Zähne eines Kamms“, erklärt Marian. Der Kamm hat sehr viele Zinken – Hunderttausende von Linien, die eine Art Fingerabdruck des untersuchten Laserlichts bilden.

Die Technik wird umso aufwendiger, je kürzer die Laserpulse sind. Jetzt ist man schon bei Femtosekunden angelangt. Dabei geht es um den millionstel Teil einer Milliardstel Sekunde. Das eröffnet Perspektiven etwa für Atomuhren, die die Zeitmessung revolutionieren können. Das von Atomen ausgesandte Licht wird als eine Art Pendel verwendet. Die Genauigkeit ist so groß, dass die Uhr nach 30 Milliarden Jahren erst um eine Sekunde abweicht.

Eine bedeutende Rolle könnten die optischen Uhrwerke insbesondere in der Kommunikationstechnik spielen, wo sie mit ihrem schnellen Takt in künftigen Glasfasernetzen für Ordnung im Datenverkehr sorgen sollen. Mit präziserer Satellitenkommunikation funktionieren auch Navigationssysteme etwa für die Autofahrt besser.

„Per Frequenzkammtechnik lassen sich auch Naturkonstanten überprüfen“, sagt Meijer. Beispielsweise die Feinstrukturkonstante, die etwas über die spektrale Struktur der Atome aussage. Genauer gesagt, geht es darum zu kontrollieren, ob Größen, die man traditionell als konstant ansieht, es auch tatsächlich sind – oder ob die Welt noch ein wenig komplizierter ist, als gedacht.

Paul Janositz

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