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Gesundheit: Ein hervorragender Körperteil

Form und Funktion sind bei der Nase nicht zu trennen. Eine Operation kann manchmal beides verbessern

„Ich male Nasen absichtlich schief, damit die Leute gezwungen sind, sie anzusehen“, soll Picasso gesagt haben, als ein Modell sich bei ihm beschwerte. Dass ihre Nasen alle Blicke auf sich lenken, fürchten viele Menschen, bei denen sie wirklich durch einen Unfall oder von Natur aus schief sind. „Die Nase hat zwar im Gesicht einen zentralen Platz, aber wir haben es nicht so gern, wenn sie von einem tiefen Blick in die Augen abhält“, sagt Eugene Tardy, Präsident der amerikanischen Akademie für Gesichts- und Rekonstruktionschirurgie. Seine Kunst dient deshalb, ganz im Gegensatz zu der Picassos, oft dem Ziel, eine ablenkende Auffälligkeit zu beseitigen.

Genau vor 100 Jahren wurde eine solche Nasenoperation erstmals in Berlin gewagt, von Jacques Joseph, einem Schüler des berühmten Chirurgen Johann Friedrich Dieffenbach. Ihm gelang es, mit einem Eingriff vom Naseninneren aus eine Nasenscheidewand zu begradigen und einen Höcker zu korrigieren. An der Humboldt-Universität fand aus diesem Anlass jetzt ein internationaler Kongress für funktionell-ästhetische Chirurgie statt, zu dem auch Tardy von Chicago nach Berlin kam.

Joseph, dessen Eingriffen an der Nase viele seiner Kollegen zunächst skeptisch gegenüberstanden, hatte als Leiter der Abteilung für Gesichtsplastik an der Ohren- und Nasenklinik der Charité trotzdem bald viele Patienten: Die meisten von ihnen hatten im Ersten Weltkrieg ausgedehnte Gesichtsverletzungen erlitten.

Eingriffen im Inneren des Riechorgans widmeten sich dagegen zur gleichen Zeit Kollegen aus einer anderen Klinik. Die Wiederherstellung und Verschönerung von Nasen auf der einen und die operative Abhilfe bei Beeinträchtigungen der Atmung auf der anderen Seite wurden von da an fein säuberlich voneinander getrennt.

Dabei gibt es gute Gründe dafür, Form und Funktion des wichtigen Sinnesorgans gemeinsam zu betrachten. „75 Prozent der Patienten, die zu uns kommen, weil sie mit dem Aussehen ihrer Nase nicht zufrieden sind, haben auch Funktionsstörungen. Fast immer haben Varianten der äußeren Form, wie etwa Schief-, Spannungs- oder Höckernasen, auch einen klinisch relevanten Aspekt“, sagt Hans Behrbohm, Leiter der HNO-Abteilung in der Park-Klinik Weißensee. Messungen von Luftströmen haben das wissenschaftlich untermauert. Der Mitorganisator des Kongresses begrüßt deshalb die derzeitige „Renaissance der funktionell-ästhetischen Chirurgie“.

Stichwort Funktionsstörungen: Dabei ist an erster Stelle natürlich an das freie Atmen durch die Nase, den Vorposten der oberen Atemwege, zu denken. Ein aufgetriebener, gespannter Nasenrücken, der zudem deutlich verbogen ist, geht oft auch im Inneren mit beengten Verhältnissen einher.

Auch nach Verletzungen der Nase, etwa beim Sport, haben viele Patienten Atembeschwerden. Wenn ein Abszess den Knorpel der Nasenscheidewand zerstört hat, zeigt sich das äußerlich oft in einer eingedrückt wirkenden „Sattelnase“.

Sie hat auch medizinisch Folgen, denn wegen unzureichender Belüftung der Haupthöhle kommt es dann schnell zu verstopften, vereiterten Nasennebenhöhlen. Gelingt es, die Nasenscheidewand wiederaufzubauen, dann verschwinden meist auch diese lästigen, jahrelangen Beschwerden.

Ist die Nase nicht frei, dann hat das oft auch Folgen für die Stimme, die „näselnd“ klingt, für den Schlaf, der von Schnarchtönen begleitet wird, und vielleicht sogar für den Kopf, der zu dröhnen scheint. „Von der Nase ausgehende Kopfschmerzen werden oft fälschlich für eine Migräne gehalten“, erklärt Behrbohm.

Knorpel aus der Ohrmuschel

Auch Belüftungsstörungen des Mittelohrs können ihre Ursache in der Nase haben. Und nicht zuletzt kann der Geruchsinn beeinträchtigt sein. Steht ein solches Problem im Vordergrund, dann übernehmen die Krankenkassen meist die Kosten einer Operation. Sind darüber hinausgehende Verschönerungen gewünscht, dann müssen sie vom Patienten aus eigener Tasche bezahlt werden.

Die häufigsten Eingriffe gelten heute Korrekturen der Nasenscheidewand, dem Abtragen von Höckern oder einer Verschmälerung der Nasenspitze. Als Material für solche Nasenoperationen werden bevorzugt Knochen, Muskelhaut und Knorpel verwendet, die vom Patienten selbst stammen. Knorpel kann zum Beispiel unauffällig im hinteren Teil der Ohrmuschel oder von den Rippen „ausgeliehen“ werden.

Hoffnungen setzt Behrbohm auf die Fortschritte beim „Tissue Engineering“, also bei der Züchtung von Hautgewebe im Labor. „Unsere Patienten sind meist noch jung, sie haben noch ein langes Leben vor sich und Anspruch auf verträgliches Material“, erklärt Tardy. Die Instrumente werden immer feiner, der Einblick in die versteckten Areale der Nase immer besser, der Zugang wird nach Möglichkeit von innen gewählt, und der Zeitraum, bis ein Operierter mit der neuen Nase wieder „gesellschaftsfähig“ wird, hat sich verkürzt.

Trotzdem müssen für die meisten Operationen nach wie vor Knochen gebrochen werden. Und wie die neue Nase aussehen wird, kann selbst mit viel Erfahrung nicht hundertprozentig vorausgesehen werden. Denn es hängt zu einem Gutteil davon ab, wie das Gewebe sich während des Heilungsprozesses verhält, was also Narben, Knorpel und Haut zur Neugestaltung des Gesichts beitragen. Das ist individuell verschieden und nicht zuletzt vom Lebensalter abhängig. Vor vielen unrealistischen Erwartungen kann der Operateur aber schon im Vorfeld warnen. Zur Vorbereitung werden heute gern Computerprogramme eingesetzt. Denn die „virtuelle Nase“ auf dem Bildschirm erleichtert Arzt und Patient die Verständigung.

Auch darüber, was nicht sinnvoll ist. In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde wird eines der Probleme deutlich angesprochen: „Zunehmend von Bedeutung ist der Assimilationswunsch fremder Bevölkerungsgruppen hinsichtlich der Nasengröße und -form an das mitteleuropäische Schönheitsideal.“

Allgemein scheint zudem eine Störung zuzunehmen, die Mediziner als „Dysmorphophobie“ bezeichnen: Die unbegründete Angst davor, missgestaltet zu sein. Doch das ist eben ein seelisches Problem, dem mit einer Operation der Nase nicht wirklich beizukommen ist.

Adelheid Müller-Lissner

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