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Gesundheit: Eine Erfindung, die in der Luft lag

Die Brüder Wright gelten als Begründer des Motorflugs – aber sie hatten viele Konkurrenten

Als die Brüder Wright am 17. Dezember 1903 mit rund 12 km/h zu ihrem 40-Meter-Luftsprung ansetzten, ahnte niemand, dass 100 Jahre später Überschall-Verkehrsflugzeuge wie die „Concorde“ zum alten Eisen zählen würden. Aber so ist das inzwischen in der Technik, wo sich viel um die Wirtschaftlichkeit dreht. Hätten die Flugpioniere damals schon so gedacht – wer weiß, ob sie das Vorhaben nach den ersten vergeblichen Versuchen womöglich aufgegeben hätten.

Orville und Wilbur jedenfalls waren das, was man heute Technik-Begeisterte nennen würde: 1889 gründen die beiden jungen Männer eine Druckerei und eröffnen drei Jahre später ein eigenes Fahrradgeschäft mit Werkstatt, in der sie auch eigene Modelle konstruieren. Inspiriert durch die Gleitflüge des deutschen Luftfahrtpioniers Otto Lilienthal beginnen die Brüder 1899 mit Luftfahrt-Forschungen, ihr erstes Fluggerät ist ein Drachen mit 1,50 Meter Spannweite. 1900 folgt das erste Segelflugzeug. Um die optimale Form für die Tragflächen zu finden, testen die Wrights rund 200 verschiedene Profile in einem selbstgebauten Windkanal. Das ideale Fluggelände finden sie in den Dünen bei Kitty Hawk (North Carolina).

Doch es soll auch mit Motorkraft funktionieren: Aus Fichtenholzstreben, die mit leichtem Baumwollstoff bespannt werden, entsteht ein 6,40 Meter langer Doppeldecker mit 12,3 Metern Spannweite. Weil kein geeigneter Antrieb zu haben ist, lassen die Brüder vom Mechaniker ihrer Fahrradwerkstatt, Charles Taylor, einen eigenen, 12 PS starken Vierzylinder-Benzinmotor konstruieren, der zwei Propeller antreibt.

Der große Tag ist für den 14. Dezember 1903 geplant: Als „Startbahn“ dient eine 20 Meter lange Schiene. Doch der Doppeldecker schmiert beim Start ab und wird beschädigt. Zwei Tage dauert die Reparatur, der erneute Versuch beginnt am 17. Dezember. Der 32-jährige Orville legt sich bäuchlings auf die untere der beiden Tragflächen des Doppeldeckers. Das Höhenruder wird mit der linken Hand betätigt, die Seitensteuerung erfolgt durch Hüftbewegungen des Piloten. Schneller und immer schneller wird der Eigenbau, um dann abzuheben.

Es ist 10 Uhr 35, zwölf Sekunden dauert der erste „Flug“ über eine Distanz von 40 Metern. Einer der fünf Zeugen, John T. Daniels, hält den historischen Moment im Bild fest. Abwechselnd wagen die Brüder an diesen Tag noch drei weitere Starts. Mittags bringt es Wilbur in 59 Sekunden auf eine Distanz von 852 Fuß (rund 280 Meter). Nach der Landung wirft eine Sturmbö den 274 Kilogramm schweren Wright Flyer um – Totalschaden.

Die Trümmer landen im Schuppen der Fahrradwerkstatt, die weiter entwickelte „Flying Machine“ wird am 22. Mai 1906 unter der Nummer 821 393 in den Vereinigten Staaten und danach auch in vielen europäischen Ländern patentiert. Bereits drei Jahre später führt Orville das Flugzeug auch auf dem Tempelhofer Feld vor, wird für den Lizenzbau am Flugplatz Berlin-Johannisthal die Flugmaschine Wright GmbH gegründet.

Doch der große Durchbruch auf dem rasant wachsenden Flugzeugmarkt bleibt aus. Stattdessen werden die Brüder in zahlreiche Streitigkeiten um die Rechte an ihren Erfindungen verwickelt. Im Ersten Weltkrieg werden in den USA die Flugzeugpatente freigegeben. Auch auf die erhoffte Anerkennung ihrer Erfolge warten die Brüder zunächst vergeblich – Wilbur stirbt 1913, also lange zuvor. Denn die mächtige Smithsonian Institution wertet das Konkurrenzmodell „Aerodrome A“ ihres eigenen Sekretärs Samuel P. Langley als erste flugfähige Motormaschine.

Enttäuscht verschifft Orville den restaurierten Prototypen seines Flyers nach England, wo er ab 1928 im Londoner Science Museum gezeigt wird. Erst als die Amerikaner ihm späte Anerkennung zollen, stimmt er 1943 der Rückführung ins National Air and Space Museum nach Washington zu. Doch der Zweite Weltkrieg verzögert den Transport bis 1948. Orville Wright stirbt zehn Monate zuvor an einer Herzattacke, erlebt nicht mehr, wie sein Flieger im Museum an der National Mall in Washington landet.

Bis heute freilich ist offen, ob es sich bei jenem Ereignis in den Dünen von Kitty Hawk (North Carolina) tatsächlich um die entscheidende Pioniertat der Luftfahrt handelte. Bei St. Petersburg soll bereits 1882 der russische Konteradmiral Alexander Moshalski ein Dampfmotorflugzeug erprobt haben. In Frankreich verweist man auf Clèment Ader, dem 1890 ein 30-Meter-Luftsprung und 1897 ein 300 Meter-Flug nachgesagt werden. Dem aus Franken stammenden Einwanderer Gustav Weißkopf, der sich in den USA Whitehead nannte, gelang es am 14. August 1901 vor Zeugen in Fairfield (Connecticut) mit seinem Eindecker in rund 15 Metern Höhe eine halbe Meile zurückzulegen.

Und in Hannover wurde das Flugjubiläum selbstbewusst bereits im Sommer gefeiert, schließlich hatte der Magistratsbeamte Karl Jatho am 18. August 1903 in der Vahrenwalder Heide mit einem motorgetriebenen Drachenflieger einen 18 Meter weiten Luftsprung absolviert, dem im November bis zu 60 Meter weite Hüpfer folgten.

Rainer W. During

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