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Gesundheit: Forschen ohne Ende

Neue Perspektive für wissenschaftliche Mitarbeiter: Die 12-Jahres-Regelung soll fallen

Als Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) vor vier Jahren eine neue Befristungsregelung für wissenschaftliche Mitarbeiter durchsetzte, brach ein Sturm der Entrüstung los. Aufgebrachte Nachwuchswissenschaftler taten sich zusammen und sammelten Unterschriften gegen die „12-Jahres-Regelung“. Der Protest gipfelte in dem Ausruf: „Eine Generation wird verschrottet.“

Doch Bulmahn blieb ungerührt: Nach 12 Jahren müsse die Qualifikationsphase abgeschlossen sein. Wer danach keine Professur bekomme, solle den Wissenschaftsbetrieb rechtzeitig verlassen, um auf dem Arbeitsmarkt noch Anschluss zu finden, erklärte die damalige Ministerin.

Jetzt will ihre Nachfolgerin Annette Schavan (CDU) die 12-Jahres-Regelung kippen. Solange es einem Forscher gelinge, an Drittmittelprojekten mitzuwirken, solle er künftig über 12 Jahre hinaus auf befristeten Stellen arbeiten können.

Eine solche Entscheidung wäre ein Triumph für wissenschaftliche Mitarbeiter wie Meinhard Hahn, der vor zwei Jahren 13 000 Nachwuchswissenschaftler mit der Initiative „Wir wollen forschen – in Deutschland“ gegen Bulmahns Befristungsregelung mobilisierte. „Dieser Bewusstseinswandel im Forschungsministerium ist ein großer Fortschritt gegenüber der Zeit unter Bulmahn“, sagt Hahn.

Auch die Wissenschaftsorganisationen begrüßen den Durchbruch, der sich abzeichnet. „Das ist das, was wir immer wollten“, erklärte Rüdiger Willems, Stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Abteilung Personal und Recht der Max-Planck-Gesellschaft.

Wie soll die Lösung für das Dilemma tausender wissenschaftlicher Mitarbeiter aussehen? Schavan bemühe sich darum, das Arbeitsrecht „um die Möglichkeit der befristeten Beschäftigung drittmittelfinanzierten wissenschaftlichen Personals zu erweitern“, ist aus Wissenschaftskreisen zu hören. Ein Sprecher des Bundesforschungsministeriums (BMBF) bestätigt, dass es „Bewegung“ in der Frage gebe, wie man wissenschaftliche Mitarbeiter über 12 Jahre hinaus beschäftigen könne. Details seien aber noch in der Abstimmung.

Rüdiger Willems schildert die Situation, vor der die Leiter von Forschungsprojekten stehen: „Die Themen sind da, die Drittmittel stehen zur Verfügung, wir haben die Forscher, die sie bearbeiten können – da sollte das Arbeitsrecht nicht der Grund sein, aus dem die Beschäftigung scheitert.“ Bisher verbietet es das Arbeitsrecht, Mitarbeiter immer wieder befristet zu beschäftigen. Jetzt soll es eine Ausnahmeregelung für Forscher geben, die in Drittmittelprojekten beschäftigt sind.

Der Wissenschaftsrat hatte 2004 eine weiter gehende Regelung vorgeschlagen. Ein Wissenschaftstarifvertrag sollte aufgaben- und leistungsbezogene Gehälter ermöglichen, die unregelmäßigen Arbeitszeiten von Wissenschaftlern berücksichtigen – und die „unbefristete Beschäftigung qualifizierter Wissenschaftler unterhalb der Professur“ erleichtern. Forscher, die dauerhaft in Projekte eingebunden sind, könnten nach der 12-jährigen Qualifizierungsphase eine feste Stelle bekommen – allerdings mit der Option, ihnen zu kündigen, wenn die Drittmittel wegfallen. Dieser Vorschlag scheiterte am Widerstand der Gewerkschaften. Aber auch Wissenschaftsorganisationen wehrten sich gegen die unbefristeten Stellen. Sie fürchteten, der Wegfall von Drittmitteln würde beim Arbeitsgericht als Kündigungsgrund keinen Bestand haben.

Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Peter Strohschneider plädiert weiterhin für ein solches Modell. Der von Schavan angestrebte Kompromiss, wissenschaftliche Mitarbeiter drittmittelabhängig befristet über die 12-jährige Qualifizierungsphase hinaus weiterbeschäftigen zu können, sei eine „wissenschaftsadäquate Regelung“, löse allerdings nicht alle Probleme, sagt Strohschneider. Um die besten Nachwuchswissenschaftler in den Hochschulen zu halten, müssten ihnen „verlässlichere und attraktive Zukunftsperspektiven“ geboten werden.

Auch Meinhard Hahn, Initiator der Wissenschaftler-Initiative „Wir wollen forschen – in Deutschland!“, plädiert für zusätzliche drittmittelunabhängige Dauerstellen. Zielgruppe: der erfahrene akademische Mittelbau, „der die Infrastrukturen am Laufen hält“. Das sind Leute wie Hahn, der wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg ist. Für ihn wäre ein Ende der 12-Jahres-Regelung die Rettung.

Hahn, Jahrgang 1964, fing nach seiner Promotion 1996 gleich als Postdoc-Gruppenleiter an, zuerst an der Uni Gießen, dann in der DKFZ-Abteilung Molekulare Genetik. Er koordiniert Forschungsprojekte zur Tumorgenetik, schreibt Anträge, betreut eine Arbeitsgruppe mit Diplomanden und Doktoranden und vertritt seine Abteilung auf Tagungen.

Eigentlich dürfte ihn das DKFZ gar nicht mehr beschäftigen. Denn die 12 Jahresfrist läuft seit September 1991, als Hahn mit der Promotion begann. Der Genetiker profitiert aber von einer bis 28. Februar 2008 laufenden Übergangsfrist, nach der wissenschaftliche Mitarbeiter, die ihr 12-Jahres-Kontingent vor dem 28. Februar 2005 ausgeschöpft hatten, bis zu drei Jahre weiter befristet beschäftigt werden können. Bis dahin sollte eine Lösung gefunden sein. Und da sei Schavans Initiative auf jeden Fall „ein Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Hahn.

Als sich nach seiner viel beachteten Initiative von 2004 in der Politik zunächst nichts bewegte, wollte Hahn schon aufgeben. Im Januar 2006 bewarb er sich auf eine Dauerstelle in der Verwaltung der Uni Heidelberg, bekam eine Zusage – und blieb doch auf seinem wackligen Posten in der Krebsforschung. „Aus Leidenschaft für die Wissenschaft“, sagt Hahn, „obwohl ich im familiären Umfeld für verrückt erklärt wurde.“ Der sich abzeichnende Kompromiss gibt Hahn im Nachhinein Recht – und tausenden wissenschaftlichen Mitarbeitern von Würzburg bis Warnemünde neue Hoffnung auf eine Zukunft in der Forschung.

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