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Gesundheit: Forschung für Patienten

Klinische Studien bieten beste Therapien – wenn sie genau durchgeführt werden

Der katastrophale Ausgang des Londoner Arzneimitteltests im März hat viele Patienten verschreckt – zu Unrecht. Denn erstens war der Super-Gau mit dem Super-Antikörper, der ein halbes Dutzend gesunder Männer beinahe umbrachte, ein ganz außergewöhnliches Ereignis, wie es allenfalls einmal pro Jahrzehnt vorkommt. Und zweitens handelt es sich um die erste Phase einer klinischen Prüfung, wie Tests am Menschen in der Fachsprache heißen. Dabei geht es um erste Beobachtungen, wie Arzneien, die sich im Tierversuch schon als wirksam und verträglich erwiesen haben, bei Menschen wirken. Zudem wurde aus dem Londoner Unfall bereits eine Konsequenz gezogen: Künftig soll bei entsprechenden Wirkstoffen in der ersten Testphase zunächst nur eine Person das Mittel bekommen.

Die zweite und dritte Phase einer klinischen Prüfung hat zum Ziel, therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Substanz nachzuweisen. Das geschieht zunächst in kleineren Studien mit insgesamt höchstens ein paar hundert Patienten (Phase II).

Darauf folgen große Arzneimittelprüfungen mit oft mehreren tausend Patienten. Bei chronischen Krankheiten müssen diese Phase-III-Studien sehr lange dauern. Dabei kommt es auch darauf an, herauszufinden, ob das Prüfpräparat besser wirkt und verträglicher ist als bereits vorhandene Mittel. Solche Studien müssen sehr korrekt geplant, durchgeführt und ausgewertet werden.

Sofern dies geschieht, können sich Patienten, etwa Krebskranke, nirgends sorgfältiger behandelt fühlen als im Rahmen einer klinischen Studie. Sie haben dann auch die Chance, ein neues, vielleicht wirksameres Präparat zu bekommen, das noch gar nicht auf dem Markt ist.

Was Krebspatienten beachten sollten, ehe sie sich an einer Studie beteiligen, können sie beim Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums im Heidelberg erfragen (Telefon 06221/410121). Dort kann man auch etwas über laufende Studien erfahren, aber nur fragmentarisch. Denn die seit langem geforderte Registrierung sämtlicher begonnener Studien lässt auf sich warten. Die Meldung beim geplanten nationalen Studienregister wird überdies nur freiwillig sein.

Beim letzten Deutschen Krebskongress wies Guido Adler, Hochschulinternist und Prorektor an der Universität Ulm, auf weitere Probleme hin. So kritisierte er, dass die klinische Forschung, die ja unmittelbar Kranken zugute kommt, weit weniger beliebt und angesehen ist als die patientenferne medizinische Grundlagenforschung: „Mäusestudien sind rasch publizierbar und daher karrierefördernd, Patientenstudien aber dauern Jahre.“ Dennoch werde die anwendungsbezogene Forschung in Deutschland nur unzureichend öffentlich gefördert.

Die meisten Arzneimittelstudien werden von den Herstellern finanziert, um die Bedingungen für die Zulassung zu erfüllen. Laut Adler fehlt es an industrieunabhängiger Forschung. Auf dem Gebiet der Onkologie wird sie fast nur von der Deutschen Krebshilfe gefördert. Das bestätigte dem Tagesspiegel Wolf-Dieter Ludwig, Krebsspezialist an der Robert- Rössle-Klinik in Buch. Wenigstens, so hob er hervor, haben die beteiligten Institutionen beschlossen, besser zusammenzuarbeiten. Dazu wurden mithilfe des Bundesforschungsministeriums Zentren und Netzwerke geschaffen.

Ludwig äußerte sich auch befriedigt über die Aktivitäten der Weltgesundheitsorganisation. Auf dem Weltgesundheitstag in Genf kamen die Mängel der Arzneimittelforschung, die ja meist Industrieinteressen folgt, zur Sprache. Die Mitgliedstaaten, so ein Antrag, sollen sich nun dafür einsetzen, dass sich „die Prioritäten in Forschung und Entwicklung an den Bedürfnissen der Patienten orientieren“.

Forschungsergebnisse müssen aber auch Folgen für die Patientenversorgung haben, fordert der Ulmer Experte Adler. Wie das schneller zu erreichen ist, zeigt das nationale Gesundheitsforschungsinstitut der USA am Beispiel der Hochdrucktherapie. Die schon 2002 veröffentlichte große Allhat-Studie hatte ergeben, dass unter den vielen Mitteln zum Senken des Blutdrucks die Diuretika (Entwässerungsmittel) zu Beginn der Therapie und später als Teil jeder Kombination von Medikamenten besonders wirksam und kostengünstig sind.

Trotzdem wird bis heute nur eine Minderheit der Patienten so behandelt. Jetzt werden 150 Ärzte von dem staatlichen Forschungsinstitut geschult, um ihre Kollegen überall in Amerika davon zu überzeugen, dass diese Form der Hochdrucktherapie für die Mehrheit der Patienten nützlich ist.

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