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Gesundheit: Forschung in Museen: Die nordamerikanischen Kordilleren - Fossilienfunde belegen die Wanderung der Inseln

Museen sind nicht nur Orte, an denen bedeutende Zeugnisse aus den Kulturen der Menschheit und der Erdgeschichte aufbewahrt werden, sondern sie sind auch Stätten der Forschung. Der Tagesspiegel veröffentlicht in den nächsten Wochen Beispiele für die Forschung von Museen.

Museen sind nicht nur Orte, an denen bedeutende Zeugnisse aus den Kulturen der Menschheit und der Erdgeschichte aufbewahrt werden, sondern sie sind auch Stätten der Forschung. Der Tagesspiegel veröffentlicht in den nächsten Wochen Beispiele für die Forschung von Museen.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Auto auf dem Trans-Canadian-Highway nach Westen nach Vancouver. Aber es gibt kein Vancouver, dort ist nichts als Ozean. Nur ein seltsamer Traum? Nicht ganz. Denn vor etwa 200 Millionen Jahren endete der nordamerikanische Kontinent im Bereich der Rocky Mountains. Dahinter begann der Panthalassa, der Vorläufer des Pazifischen Ozeans.

Die gesamte Kordillere von Alaska bis nach Guatemala existierte noch nicht oder zumindest nicht in jener Form, wie wir sie heute kennen. Vielmehr ragten vulkanische Inselbögen als einzelne Mikrokontinente oder Terranes von maximal etwa 1000 Kilometern Länge aus diesem Panthalassa-Meer.

Seit Urzeiten gibt es Bewegung auf der Erdkruste. So schiebt sich beispielsweise die "Nordamerikanische Platte" über die "Pazifischen Platten". Auf diese Weise rückten die Mikrokontinente, die den Pazifischen Platten aufsitzen, allmählich an die Westküste Nordamerikas heran. Bei der "Kollision" mit dem Urkontinent wurden sie regelrecht "angeschweißt". So weit, so gut.

Aber, woher kommen diese Mikrokontinente? Bislang gab es unterschiedliche Theorien. Die Terranes könnten irgendwo aus dem westlichsten Bereich des heutigen Pazifik, also aus dem Umkreis der japanischen Inseln, oder aus dem östlichen Sibirien kommen. Einer anderen Theorie zufolge war ihr ursprünglicher Standort vor der Küste Südamerikas oder möglicherweise auch in tropischen und subtropischen Regionen der Nordhalbkugel.

Martin Aberhan vom Naturhistorischen Forschungsinstitut im Berliner Museum für Naturkunde hat zwei solcher Terranes untersucht: Wrangellia und Stikinia, die große Teile des heutigen Yukon Territoriums und Britisch Kolumbiens bilden. Ihre geologischen Eigenschaften weisen darauf hin, dass es sich um ehemals vulkanische Inselketten handelt, die im Mittleren Jura, also vor rund 180 Millionen Jahren, mit Nordamerika kollidierten.

Um nun Ursprung und "Reiseweg" dieser Inseln zu bestimmen, bietet sich die Untersuchung der Fossilien an. In beiden Territorien findet man eine reichhaltige Fauna fossiler Meeresmuscheln aus früher Jurazeit.

Gleichalte Muschelfossilien befinden sich auch an den Küsten Südamerikas, Japans und Ostsibiriens sowie in jenen Gebieten Nordamerikas, die vor 180 Millionen Jahren die Küstengewässer des Urkontinents bildeten.

Die Muschelarten in den verschiedenen Regionen unterscheiden sich dabei sehr deutlich voneinander. So gibt es Arten, die auf die hohe Breiten der Nordhalbkugel beschränkt sind; so genannte boreale Muscheln. Andere Arten kommen nur in den hohen Breiten der Südhalbkugel vor - das sind die australen Formen. Eine dritte Gruppe lässt sich zwar sowohl auf der Nord- wie auf der Südhalbkugel nachweisen. Sie treten aber nur in tropischen und subtropischen Gebieten auf. Und schließlich gibt es Muscheln, die nur am Ostrand des Pazifiks, also an der Küste des Urkontinents, anzutreffen sind.

Vergleicht man nun die Muschelfossilien von Wrangellia und Stikinia mit den Ablagerungen in den "ortsfesten" Gebieten, so fällt auf, dass keine darunter sind, die auf hohe südliche Breiten beschränkt sind und etwa an den pazifischen Küsten des südlichen Südamerika gefunden werden.

Dagegen lassen sich im gesamten Untersuchungszeitraum im Unteren Jura, der immerhin etwa 30 Millionen Jahre umfasst, die borealen Muscheln der nördlichen Breiten nachweisen. Darüber hinaus ist auch der Anteil der ostpazifischen Muscheln sehr hoch. Alles deutet darauf hin, dass die beiden Terranes sich während dieser Zeit auf der nördlichen Halbkugel befanden.

Ein weiteres Indiz für die Herkunft der Terranes sind die tropischen und subtropischen Formen. Das heißt, Wrangellia und Stikinia befanden sich am Beginn ihrer Reise zwar auf der Nordhalbkugel, aber sehr nahe am Äquator.

Betrachtet man nun die Veränderungen in den Ablagerungen während der Wanderung nach Norden, so verringert sich die Zahl der tropischen und subtropischen Formen allmählich, bis sie am Ende ganz verschwinden. In gleichem Maße nimmt die Zahl der in hohen nördlichen Breiten beheimateten borealen Organismen zu. Das beweist, dass sich beide Terranes kontinuierlich nach Norden bewegten.

Aus der Verteilung der Fossilien auf den Terranes lassen sich sogar Rückschlüsse auf die Länge des Weges ziehen, die sie von Süd nach Nord zurückgelegt haben. Im Norden befindet sich eine Zone mit borealen Muscheln, im Süden ein mit tropischen und subtropischen Arten. Dazwischen eine Region, in der beiden Gruppen vorkommen.

Vergleicht man diese Zonen mit den entsprechenden Gebieten auf dem Kontinent, so ergibt sich daraus, dass Wrangellia und Stikinia mehr als 1000 Kilometer während ihrer Wanderung zurückgelegt haben.

Anne Strodtmann

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