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Gesundheit: Frankreich-Zentrum: Was lange währt, wird hoffentlich gut

Gottes Mühlen mahlen langsam, und die der TU und des Senats ebenso. Wer die Geschichte des Frankreich-Zentrums an der Technischen Universität verfolgt hat, kann sich einer gewissen Ungeduld nicht erwehren: 1993 wurde die Idee geboren, dann gab es jahrelang Streit um die Konzeption und um Personen.

Gottes Mühlen mahlen langsam, und die der TU und des Senats ebenso. Wer die Geschichte des Frankreich-Zentrums an der Technischen Universität verfolgt hat, kann sich einer gewissen Ungeduld nicht erwehren: 1993 wurde die Idee geboren, dann gab es jahrelang Streit um die Konzeption und um Personen. Der Initiator, TU-Romanist Michael Nerlich, zog sich von dem Projekt zurück und klagte, die Philosophen und Historiker der TU hätten das Vorhaben an sich gerissen; Gründungsdirektor wurde statt seiner der Philosoph Günter Abel.

Anfang 1998 wurde das Zentrum schließlich feierlich eröffnet, mit dem Segen der Französischen Botschaft und des Landes Berlin, jedoch unter dem Protest von 26 Professoren, die kritisierten, ein Frankreich-Zentrum hätte wenig Sinn, wenn gleichzeitig, wie geschehen, alle romanistischen Studiengänge der TU außer dem Französischen gestrichen würden. Damals versprach man eine rasche Besetzung der vier hauptamtlichen Professuren und die Entwicklung eines Aufbau- sowie eines Diplomstudiengangs.

Kritik des Wissenschaftsrates

Und heute möchte der Wissenschaftsrat Regionalinstitute wie das Frankreichzentrum am liebsten auflösen. Nach der Kritik durch den Wissenschaftsrat hatte es auch in der Berliner Politik einige Aufregung gegeben, war doch die Gründung des Zentrums seinerzeit eine politische Entscheidung gewesen: Man wollte allen drei abziehenden West-Alliierten ein Zentrum einrichten, und zwar verteilt auf die drei Berliner Universitäten: Neben dem bereits bestehenden John F. Kennedy Institut für Nordamerikastudien der FU richtete man daher an der Humboldt-Uni das Großbritannien- und an der TU das Frankreich-zentrum ein. Eberhard Diepgen hat sich darum auch nachdrücklich hinter das Frankreich-Zentrum gestellt: Berlin brauche es nicht nur, um seine Dankbarkeit gegenüber den Alliierten zu zeigen, sondern auch zur Politikberatung.

Am Frankreichzentrum sind erst zwei Professuren besetzt, für den Aufbaustudiengang liegt noch kein Konzept vor, erste Immatrikulationen werden frühestens im Sommersemester 2001 möglich sein. Eine ungünstige Ausgangslage also, wie es scheint. "Wir stehen unter Zugzwang", gibt Etienne François, der neben dem Technik-Philosophen Thomas Gil einer der beiden Professoren des Zentrums ist, zu. Zwar sehen sich weder Thomas Gil noch Etienne François als Politikberater, aber der künftige Inhaber des Lehrstuhls für deutsch-französische Beziehungen könnte diese Aufgabe übernehmen.

Dem rührigen Historiker Etienne François kann man die Verzögerungen im Aufbau des Zentrums nicht vorwerfen: Er ist erst seit Oktober 1999 mit im Boot. Seine Berufung ist sicherlich ein Pluspunkt für das Zentrum, hat er doch als Gründungsdirektor des deutsch-französischen Forschungszentrums für Sozialwissenschaften Marc Bloch und als Professor an der Sorbonne in Paris beste Kontakte zu deutschen und französischen Wissenschaftseinrichtungen. Auch Etienne François empfindet die Gründungsgeschichte des Zentrums als "unglücklich" und erklärt, dass sein Profil "präzisiert" werden müsse. Die Kritik des Wissenschaftsrats beurteilt er dennoch als teilweise ungerecht: "Wir sind noch in der Aufbauphase. Wie kann man da eine konzeptionell geschlossene Einrichtung erwarten? Wir können zum Beispiel nicht mit dem Aufbaustudiengang beginnen, bevor die anderen beiden Professoren ihre Arbeit aufgenommen haben. Und in Zeiten des Sparens verzögern sich Berufungen leicht."

Untätig ist man in den vergangenen Jahren nicht gewesen. In jedem Semester haben Vortragsreihen zur französischen Philosophie, Kolloquien und, im Rahmen eines "Café Littéraire", Lesungen von Schriftstellern stattgefunden. Thomas Gil, seit April 1998 Professor am Zentrum, Etienne François und ihre Mitarbeiter bieten frankreichbezogene Lehrveranstaltungen in den Fächbern Philosophie und Geschichte an und betreuen Doktoranden, die gleichzeitig eine französische und eine deutsche Promotion ablegen möchten. In einer Schriftenreihe sind Arbeiten zu Montesquieu, zur französischen Nachkriegsphilosophie und zur "Demokratischen Technikbewertung" von Thomas Gil erschienen. Das Zentrum sieht seine Aufgabe auch darin, deutsche und französische Forscher zusammenzubringen.

Für die Zukunft ist Etienne François optimistisch. Zum Wintersemester soll als dritter Professor der Bonner Komparatist Dolf Oehler an das Zentrum kommen, der vergleichende Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Französisch lehren wird. Auch der Ruf für die Stiftungsprofessur "Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen nach 1945", die von der Stiftung Preußische Seehandlung und dem Land Berlin finanziert wird, ist in Kürze zu erwarten. Eine fünfte Professur, die von französischer Seite bezahlt wird, übernehmen wechselnde französische Gastprofessoren.

Warum die TU Vorteile bietet

Der geplante Aufbaustudiengang soll sich unter anderem an fertige Ingenieure oder auch Architekten richten, die in Frankreich arbeiten wollen und dafür in ein bis zwei Jahren politische und kulturelle Zusatzkompetenzen erwerben möchten. Kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund François auf die Vorzüge der TU hinweist: "Hier haben wir die Chance zur Zusammenarbeit mit den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen. Außerdem hat die TU 60 Partnerschaftsabkommen mit französischen Einrichtungen, das ist weit mehr als andere deutsche Universitäten." In Zukunft sollen über Doppelmitgliedschaften Professoren der technischen und naturwissenschaftlichen Fachbereiche im Zentrum mitarbeiten; 40 TU-Kollegen haben Interesse daran.

Der Wissenschaftsrat hatte angemerkt, ein Frankreich-Zentrum wäre an der Freien Universität besser untergebracht, weil es dort in eine Voll-Romanistik eingebunden wäre und auf die Frankreich-Kompetenz in anderen Disziplinen zurückgreifen könnte. Denn der Wissenschaftsrat legt Wert darauf, dass Interessenten an den Problemen einer bestimmten Region zunächst einmal ein solides Wissen in einem grundständigen Studium erwerben, bevor sie sich im Aufbaustudium dann auf Regionen spezialisieren.

Den Kontakt zur Romanistik will François durch eine Zusammenarbeit mit den Kollegen von FU, HU und der Universität Potsdam sichern. Eine besondere Rolle spielt dabei der Diplomstudiengang Frankreichstudien an der FU (Bericht folgt): "Wir haben beschlossen, nicht wie ursprünglich geplant einen grundständigen Studiengang anzubieten, weil es den ja an der FU schon gibt. Aber diese Studenten besuchen Veranstaltungen bei uns, und unsere künftigen Studenten werden Kurse an der FU belegen können", sagt François. Im kommenden Wintersemester wird es eine gemeinsame Ringvorlesung zum Thema "Paris, Paris" geben.

Über eines wundert sich Etienne François: "Einerseits stellt der Wissenschaftsrat das Frankreich-Zentrum und die Regionalinstitute an den Berliner Universitäten in Frage, andererseits wird von deutscher Seite gerade der Ausbau von Deutschland-Zentren im Ausland forciert." Vor kurzem erst ist in Paris ein solches gegründet worden.

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