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Gesundheit: Frühlingserwachen

Mannheim ändert den Semestertakt – auch Berlins Unis liebäugeln mit der Idee

Wenn im September die Masse der deutschen Studierenden noch mitten in den Semesterferien steckt, werden ihre Kommilitonen in Mannheim bereits wieder in die Hörsäle einrücken. Die Uni ist die erste in Deutschland, die ihre Semesterzeiten umgestellt hat – auf den „international üblichen Rhythmus“, wie es aus Mannheim heißt. Schon am 4. September und nicht wie an deutschen Hochschulen seit langer Zeit üblich erst Mitte Oktober soll das neue Semester starten. Statt eines Winter- und einen Sommersemesters gibt es nun ein Herbst- und ein Frühjahrssemester. Damit gerät die Hochschule zwar aus dem akademischen Rhythmus in Deutschland, taktet sich aber in die Gepflogenheiten ihrer internationalen Partnerländer ein, wie den USA, Australien, Frankreich, Großbritannien oder den Niederlanden. Das soll den Austausch in Forschung und Lehre beflügeln.

Das neue Mannheimer Herbstsemester endet zehn Tage vor Weihnachten, während der Betrieb im Wintersemester der übrigen deutschen Unis bis Mitte Februar geht. Statt des herkömmlichen Sommersemesters von Mitte April bis Ende Juli beginnt das Mannheimer Frühjahrssemester am 19. Februar und geht bis Mitte Juni. Die Dauer der vorlesungsfreien Zeit bleibt damit insgesamt gleich.

„Bislang sind Programme mit den auswärtigen Unis oft nach nur drei Jahren eingeschlafen“, sagt Achim Fischer, Sprecher der Universität Mannheim. Denn für die auswärtigen Studierenden war der Weg nach Deutschland wenig attraktiv, weil sie dafür das Semester zu Hause und dann auch in Deutschland abbrechen mussten. Für Mannheim ein großes Problem – schließlich hat sich die Hochschule zum Ziel gesetzt, dass jeder der 15 000 Studierenden mindestens ein Semester im Ausland verbracht haben soll. Das geht aber nur mit einer Fülle von festen Partnern und Programmen. Seit die Uni die Umstellung angekündigt hat, seien 20 neue Partnerschaften geschlossen worden, sagt Fischer: „In fünf Jahren werden deshalb alle Universitäten mit internationaler Ambition so verfahren. Und jede Uni, die in den Club kommt, steigert die Überzeugungskraft.“

Fischer hat bereits Nachfragen aus anderen Bundesländern registriert. Auch die Berliner Unis denken über die Mannheimer Lösung nach, angestoßen von der Freien Universität. Susanne Baer, Vizepräsidentin der Humboldt-Universität sagt: „Das Thema wird bei uns diskutiert, wir sind sehr offen. Entscheidend ist, dass wir national und international attraktiv sind.“ Reizvoll könne die Lösung auch für Forscher und Studenten mit Kindern sein: Die großen Ferien lägen dann immer vollständig in der vorlesungsfreien Zeit.

Auch die TU will sich mit den neuen Zeiten befassen. Doch werde es schwierig, wenn nur einige deutsche Unis umstellen und aus dem nationalen Takt geraten, sagt Vizepräsident Jörg Steinbach. In der Tat wird in Zukunft das Semester in Mannheim schon in vollem Gange sein, wenn sich Deutschlands scientific community im September auf ihren Tagungen trifft. Die Mannheimer Professoren sollen die zwei bis drei Tage, die sie deshalb an der Uni versäumen, nachholen. „Das ist nicht anders, als wenn jemand krank wird“, sagt der Uni-Sprecher Fischer. Forscher, die im Frühjahr nach Mannheim wechseln wollen, werden wegen des neuen Takts jedoch auf die Semesterferien verzichten müssen. Nach Mannheim wechselnde Studierende werden keine Zeit für Hausarbeiten, den Job oder Urlaub haben.

Problematisch ist es auch, wenn zwischen dem üblichen Bewerbungsschluss der Unis am 15. Juli und dem Mannheimer Semesterstart Anfang September kaum noch Zeit für die Zulassung der Studierenden ist. Der Uni Mannheim, die die Bewerber Anfang August zulassen muss, bleiben nur noch 14 Tage für den Verwaltungsaufwand. Man helfe sich über den Zeitdruck mit Erfahrungen bei der Selbstauswahl der Studierenden und mit Computerprogrammen hinweg, sagt der Uni-Sprecher Fischer. Doch Mannheim hat mit 12 000 Bewerbungen auf 2000 Plätze noch eine überschaubare Aufgabe. An der FU gab es zuletzt 30 000 Anfragen für 4400 Plätze. Würden mehrere solcher großen Unis umstellen, hätte auch die ZVS kaum Zeit, die Bewerbungen auszuwerten (siehe Kasten).

Steinbach wäre es lieber, das Thema auf die Tagesordnung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu bringen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Bei der HRK-Präsidentin Margret Wintermantel trifft der Vorstoß bereits auf offene Ohren. „Die Universität Mannheim macht hier einen interessanten Versuch“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Tatsächlich erschweren die international unterschiedlichen Semesterrhythmen immer wieder den Austausch von Studierenden und Lehrenden. Ich finde es daher wichtig, die Termine zu vereinheitlichen.“

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