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Gesundheit: Gen bekannt, Gefahr längst nicht gebannt

Für eine ursächliche Therapie des „erblichen Veitstanzes“ gibt es erste Ansätze

Chorea Huntington, der „erbliche Veitstanz“, ist eine seltene Nervenkrankheit mit vielen bedrohlichen Symptomen: Die Bewegungen geraten außer Kontrolle, die Persönlichkeit verändert sich, das Denken leidet. Seit mehr als 20 Jahren ist bekannt, dass eine Veränderung auf Chromosom 4 die Ursache für die Erkrankung ist, seit 1993 kennt man das zuständige Gen. Ob das bei einem Menschen verändert ist, können Ärzte bei Mitgliedern betroffener Familien problemlos testen. „Wir können es jedem sagen, aber die meisten möchten diese Information nicht“, sagt die Neurogenetik-Professorin Gillian Bates vom King’s College in London. Immerhin aber gibt es jetzt Ansätze für neue Medikamente.

Aus gutem Grund. Denn bisher gibt es keine Therapie für die seltene Krankheit, allenfalls eine Linderung der Symptome. Und das Wissen, eines Tages zu erkranken oder das Leiden schon vererbt zu haben, ist schwer zu tragen. Das durch ein defektes Gen hervorgerufene Nervenleiden tritt meist im Alter zwischen 35 und 55 Jahren erstmals in Erscheinung. An der Huntington-Krankheit lässt sich ein Vorwurf besonders gut festmachen, den Genomforschung und Molekularbiologie sich heute gefallen lassen müssen: Man kann inzwischen dank ihrer Erkenntnisse viele Krankheiten und Krankheitsrisiken feststellen – doch behandeln kann man sie deshalb längst noch nicht.

Auch beim Jahrestreffen der Humangenom-Organisation (Hugo) in Berlin war viel von Zukunftsvisionen die Rede, wenn über Therapien gesprochen wurde. Doch Gillian Bates konnte auch über einige Erkenntnisse berichten, die seit der Entzifferung des Gens schon gewonnen wurden. So hat ihre Arbeitsgruppe schon 1996 eine genveränderte Maus mit einem vergleichbaren Krankheitsbild vorgestellt. Kurz darauf konnte gezeigt werden, dass Huntington zu den Krankheiten gehört, bei denen sich Eiweiß im Gehirn zusammenballt. Und heute gibt es mehrere mögliche Angriffspunkte für eine medikamentöse Therapie.

Als solche gelten etwa Proteine und Enzyme, die in das Krankheitsgeschehen verwickelt sind und sich als Ziel für Medikamente eignen könnten. Mögliche Mittel werden zuerst im Reagenzglas an Zellen getestet. Die nächste Bewährungsprobe müssen sie bei den erkrankten Labormäusen bestehen. Als heiße Kandidaten erwiesen sich dabei Histon-Deacetylase-Hemmer, die bei den Mäusen zu einer „dramatischen Verbesserung der Motorik“ führten, wie Bates berichtete.

Studien an Patienten wurden bisher allerdings noch nicht begonnen. „Davor haben wir noch eine Menge Arbeit zu leisten, schon, um die Erkrankten nicht durch schlechte Ergebnisse zu demoralisieren.“ Fernziel der Neurowissenschaftlerin ist es, schon bei anfänglichen Veränderungen mit Medikamenten eingreifen zu können. Als großen Erfolg würde sie es auch werten, wenn man dank genauerer Tests den Zeitpunkt des Beginns der Krankheit vorhersagen und ihn mit frühem Eingreifen um Jahre oder gar Jahrzehnte verschieben könnte. Unter dieser Bedingung werden Tests wohl mehr Zuspruch finden.

Adelheid Müller-Lissner

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