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Gesundheit: Gentechnik: Transgene Schafe nach Maß: Wie die Macher von "Dolly" gezielt das Erbgut der Säugetiere verändern

"Cupido" und "Diana" heißen die beiden putzigen Geschöpfe aus dem schottischen Genlabor. Die weiblichen geklonten Lämmer tragen nicht nur Namen aus dem antiken Götterhimmel, sondern verkörpern für viele Wissenschaftler auch ganz handfest eine frohe Botschaft.

"Cupido" und "Diana" heißen die beiden putzigen Geschöpfe aus dem schottischen Genlabor. Die weiblichen geklonten Lämmer tragen nicht nur Namen aus dem antiken Götterhimmel, sondern verkörpern für viele Wissenschaftler auch ganz handfest eine frohe Botschaft. Denn bei den Lämmern aus dem Stall der Macher des Klonschafs Dolly wurde ein Gen gezielt verändert.

Bereits im August 1999 hatten die Forscher von der Firma PPL Therapeutics auf einer Tagung Dias von "Cupido" und "Diana" gezeigt und damit Aufsehen erregt. Aber erst in der heutigen Ausgabe des Magazins "Nature" lassen die Tierzüchter die Katze aus dem Sack und legen ihre Ergebnisse vor. Anders als "Dolly" rührt das Erbmaterial der Schafe nicht aus der Zelle eines erwachsenen Tieres, sondern von Schafföten.

Ebenfalls aus der DNS einer fötalen Schafzelle stammte die transgene "Polly", deren Ankunft PPL Therapeutics zehn Monate nach "Dolly" im Dezember 1997 annoncierte. "Polly" war das Erbmerkmal für den menschlichen Gerinnungsfaktor IX eingefügt worden. Mangel an Gerinnungsfaktor IX führt zur Bluterkrankheit. Das Ziel des gentechnischen Eingriffs: das Schaf soll Milch geben, in der das kostbare Eiweiß in großen Mengen enthalten ist. Das Tier als Pharmafabrik, "Pharming" genannt.

Aber "Polly" war ein Zufallsprodukt. Die Forscher hatten der Spenderzelle das Faktor-IX-Gen eingespritzt und darauf gehofft, dass es sich irgendwo in das Erbgut der Spenderzelle einfügen würde.

Anders bei "Cupido" und "Diana". Bei ihnen gelang es, die Erbinformation an einer bestimmten Stelle im DNS-Strang einzupassen. Das ist die eigentliche Sensation. Denn die gezielte Veränderung eines bestimmten Abschnitts der DNS gelang bisher nur bei Mäusen. Diese als "Gene-targeting" bezeichnete Methode wird dazu benutzt, um bestimmte Gene auszuschalten, weshalb die Tiere auch "knock-out-Mäuse" heißen.

Mit dem Verfahren ist es zum Beispiel möglich, genetische Ursachen von Krankheiten zu studieren. Die Forscher untersuchen, welche Krankheitszeichen auftreten, wenn ein bestimmtes Erbmerkmal "ausgeschaltet" wird. Da die meisten Nager-Gene ihr Pendant beim Menschen haben, läßt sich mit Einschränkungen vom "Mäusemodell" auf den Homo sapiens rückschließen.

Das Problem der Genforscher bestand bis jetzt darin, dass der gezielte Eingriff ins Erbgut nur mit Hilfe embryonaler Stammzellen möglich war. Um "k.o.-Mäuse" zu erzeugen, wurden diese "Urzellen" des Körpers in der erwünschten Weise genetisch verändert und dann in einen Mäuseembryo gespritzt. In diesem Embryo integrierten sich dann die genmanipulierten embryonalen Stammzellen und wurden Teil des heranwachsenden Organismus. Das Resultat war eine "Chimäre", ein Tier mit zwei Genomen.

Alle Versuche, auch bei anderen Säugetieren mit Hilfe von embryonalen Stammzellen Nachwuchs mit gezielt veränderten Genen hervorzubringen, schlugen fehl. Erfolg hatten erst die schottischen Forscher, die sich auf das besannen, was sie am besten können: klonen.

Anstelle von embryonalen Stammzellen benutzten sie Bindegewebszellen aus Schafföten. In einem mehrstufigen Verfahren fügten sie in deren Erbgut ein verändertes Schaf-Gen ein. Teilweise enthielt das veränderte Erbmerkmal die Bauanleitung für ein Protein, mit dessen Hilfe es möglich war, die erfolgreich genveränderten Zellen zu markieren. Trickreicher war das zweite Gen-Konstrukt, das in eine Reihe weiterer Bindegewebszellen eingepflanzt wurde. Es enthielt neben der "Markierung" zudem den Bauplan für das menschliche Eiweiß alpha-1-Antitrypsin, das manche Lungenkranke benötigen - nebst einer Botschaft, dass dieses menschliche Transgen nur in der Brustdrüse während der Milchbildung "anzuschalten" ist. Auch hier heißt das Ziel von PPL Therapeutics also "Pharming".

Mit Hilfe der Polymerase-Ketten-Reaktion, einer Art Schnellkopierer für Erbsubstanz, stellten die Forscher sodann sicher, dass das neue Gen exakt in jenen Abschnitt des Erbfadens eingefügt worden war, auf dem sich die ursprüngliche Variante des neuen Erbmerkmals befand. Das bewies, dass das "Gene-Targeting" erfolgreich und das Erbgut gezielt verändert worden war.

Der Rest des Verfahrens war schon fast Klon-Routine: der Kern der gezielt veränderten Zellen wurde mitsamt seiner Erbinformation in entkernte Spender-Eizellen gespritzt und diese danach in Mutterschafe eingesetzt. Aus 417 Embryonen wurden auf diese Weise drei überlebensfähige Lämmer erzeugt - die übliche magere Ausbeute bei diesem Klon-Verfahren. Und siehe da: es fand sich auch das kostbare Protein alpha-1-Antitrypsin in der Schafmilch.

Wozu der ganze Aufwand? PPL Therapeutics möchte mit seiner Proteinmilch den Rohstoff für Medikamente bereitstellen und beabsichtigt zudem, auch genetisch gezielt veränderte Schweine zu klonen. Denn Borstentiere gelten als hoffnungsvollster Organspender-Kandidat für den Menschen. Doch müssen die Tiere zuvor gentechnisch so verändert werden, dass ihre Spenderorgane der Körperabwehr des Empfängers nicht mehr unangenehm auffallen.

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