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Gesundheit: Gesundheit und Mobiltelefone: Das Handy bleibt unter Verdacht

Wie würde die Welt ohne Handys aussehen? Richtig vorstellen kann man sich das kaum mehr.

Wie würde die Welt ohne Handys aussehen? Richtig vorstellen kann man sich das kaum mehr. Egal, ob im Straßencafé, Intercity oder am Badestrand, das mehr oder weniger melodiöse Klingeln, das meist nervende Fiepen oder das Mithören oft belangloser Gesprächsfetzen gehören zum modernen Feeling. Der Handyboom, ausgedrückt in Verkaufszahlen, ist zwar in den letzten Monaten abgeebbt, doch bei Kindern und Jugendlichen steigt die Nutzung immer noch. Die Industrie setzt auf diese Altersgruppe und wirbt mit chic gestylten Geräten und vermeintlich günstigen Tarifen.

Doch über die schöne Welt des ständigen Erreichbarseins, das auch Eltern manche Sorge um den Verbleib ihrer Kinder nimmt, ziehen immer wieder dunkle Wolken auf. Handystrahlung könne gefährlich sein, heißt es. Vor allem Kinder, deren Organe und Knochen noch wachsen, seien gefährdet. Gibt es Hinweise auf Gesundheitsgefahren?

"Es gibt keine Beweise für gesundheitliche Beeinträchtigungen", sagt Olaf Schulz, wissenschaftlicher Referent in der Münchner Außenstelle des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS). Allerdings gebe es Hinweise auf mögliche Risiken, "die von der Wissenschaft noch nicht richtig verstanden sind", fügt der promovierte Biologe hinzu. Einige dieser Hinweise sind Forschungsergebnisse, wie sie Leberecht von Klitzing von der Medizinischen Universität in Lübeck zitiert.

Der Medizinphysiker erwähnt eine Studie in Schweden, die gezeigt habe, dass Handystrahlung die Blut-Hirn-Schranke öffnen könne. Das könne bedeuten, dass Substanzen ins Gehirn kämen, die dort nicht hingehörten. Nachgewiesen sei zudem, dass sich die Hirnströme verändern könnten. Was dies für Folgen habe, ist von Klitzing zufolge derzeit nicht bekannt, es sei jedoch ein mögliches Risiko, das Anlass zur Vorsorge gebe.

Dasselbe gilt für eine Untersuchung der Freiburger Universitätsklinik in Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom. Demnach lässt ein GSM-Handy, das 35 Minuten lang am rechten Ohr zwei Watt Leistung abstrahlt, den Blutdruck ansteigen, die Herzschläge verlangsamen und die Gefäße verengen. Bei einer Versuchsanordnung der Psychiatrischen Universitätsklinik Mainz, ebenfalls in Kooperation mit der Deutschen Telekom, führte ein GSM-Handy, das im Abstand von 40 Zentimetern vom Kopf entfernt acht Stunden lang mit acht Watt Leistung strahlte, zu Schlafstörungen.

Die REM-Phasen, die den erholsamsten Schlaf bieten, waren verkürzt, ebenso wie die Zeitdauer bis zum Einschlafen. Letzteres deuten die Wissenschaftler als hypnotischen Effekt, allerdings müssten die Ergebnisse durch weitere Forschungen noch abgesichert werden. Dies gilt wohl für die meisten dieser Detail-Untersuchungen, bei denen Einzeleffekte bei Menschen festgestellt, oder Tiere (beispielsweise Zebrafinken) mit Handy-Strahlung versetzt wurden. Bei der Mehrzahl der betroffenen Neuronen sei die Aktivität gestiegen, heißt es, bei einigen Nervenzellen habe sie aber auch abgenommen.

Ob aus diesen Details jemals ein fertiges Puzzle wird, kann derzeit niemand sagen. Mehr Forschung ist nötig, darüber sind sich alle einig. Bei einem Treffen von Experten in der BfS-Zentrale in Salzgitter wurden neue Forschungsvorhaben beschlossen. Auch der Bundesumweltminister schießt Geld zu. Allerdings lässt sich - wenn überhaupt - nur schwer beweisen, dass eine bestimmte Technik vollkommen ungefährlich ist. Bis jedoch einigermaßen Klarheit herrsche, sei Vorsorge wichtig, betont Schulz. Natürlich soll der Grenzwert nicht überschritten werden, der zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber von der Strahlenschutzkommission empfohlen wurde. Als maximale Leistung sollen am Körper nicht mehr als zwei Watt pro Kilogramm Gewicht abstrahlen.

Damit der Kunde die richtige Wahl treffen kann, muss die Information verbessert werden, betont Karl Amannsberger, Leiter des Präsidialbereichs in Salzgitter. Dies bedeute, dass die Daten, die für die Größe der Strahlung relevant seien, direkt auf dem Handy vermerkt sein sollten. Nicht wie bisher von den Herstellern zugesagt, nur auf Verpackung oder Betriebsanleitung. Eine wichtige Information ist demnach, wieviel Strahlung den Kopf des Nutzers trifft. Durch geschickte Anordnung der Antenne kann dieser entscheidende Wert verringert werden, erklärt Strahlenexperte Schulz.

Es ist aber nicht nur sinnvoll, ein Mobiltelefon mit möglichst geringer Strahlung zu kaufen. Der Nutzer kann vielmehr auch beim Gebrauch das Risiko verringern. Das Strahlenschutzamt rät nur bei gutem Empfang mobil zu telefonieren. "Bei schlechtem Empfang strahlt das Gerät eine höhere Leistung ab", sagt Schulz. Eine gute Vorsichtsmaßnahme sei es, ein Head-Set zu benutzen. Die Freisprecheinrichtung vergrößere den Abstand zwischen Kopf und Antenne. "Fasse dich kurz", ist ein weiterer Rat und im Zweifel mit einem Festnetzanschluss zu telefonieren, wenn dieser verfügbar sei.

Derartige Vorsichtsmaßnahmen waren zu Beginn der Handyzeit noch nicht geläufig. Ob ein anfänglich vermutlich eher sorgloses Verhalten schwere Krankheiten ausgelöst hat, wird in einer großen Studie der Weltgesundheitsorgansation WHO untersucht. Beteiligt sind Institutionen aus 13 Ländern, aus Europa, Amerika, Neuseeland, Kanada oder Japan, sagt Klaus Schlaefer, Epidemiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum. Die Heidelberger Einrichtung gehört neben den Universitäten in Mainz und Bielefeld zu den deutschen Partnern der WHO.

Die groß angelegte, fünfjährige Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob langdauernder Handygebrauch Tumore im Kopfbereich oder Leukämien hervorrufen kann. Obwohl die Auswertung erst im Jahre 2004 zu erwarten ist, lassen Zwischenergebnisse - Schlaefer zufolge - darauf schließen, dass Handystrahlung keine Krebserkrankungen auslöst. Dies hätten auch die drei bisherigen "gut durchgeführten" Studien zu diesem Thema ergeben. "Es könnte allerdings sein, dass sich bereits entartete Zellen schneller zu Krebszellen entwickeln", erklärt Schlaefer.

Ob Kinder und Jugendliche besonders gefährdet sind, wird die Studie nicht klären können. Denkbar sei es schon, meint der Heidelberger Experte, da Gewebe, das sich erst entwickle, empfindlicher sei. Zudem hätten die Kleinen eine dünnere Hirnschale, so dass Strahlung schneller durchgehe.

Paul Janositz

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