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Gesundheit: Hawkings Irrtum

„Es gibt keine Baby-Universen“, sagt der britische Physiker und nimmt seine Theorie zurück

John Preskill durfte sich freuen. Der Physiker aus Pasadena hatte am Mittwoch in Dublin gerade einen Vortrag über Quantencomputer beendet, als der britische Astrophysiker Stephen Hawking das Wort ergriff. Mit ihm hatte Preskill vor 29 Jahren eine Wette abgeschlossen. Nun gestand Hawking ein, dass Preskill Recht hatte. Er selbst habe sich geirrt.

Schwarze Löcher, so Hawking, seien doch nicht die Orte im Kosmos, an denen jegliche Informationen für immer vernichtet werden. Was an Informationen in den Objekten enthalten ist, die in ein schwarzes Loch stürzen, könne wieder nach außen gelangen, während sich das schwarze Loch auflöst. Es sei zudem unmöglich, durch schwarze Löcher hindurch in andere Universen zu reisen. „Es gibt keine Baby-Universen, wie ich einst dachte“, hieß es in einem zu seiner Rede verteilten Text. Er bedauere es sehr, seine Science-Fiction-Gemeinde diesbezüglich enttäuschen zu müssen.

Hawking rückt damit manches zurecht, was die Leser seiner Bücher „Eine kurze Geschichte der Zeit“ oder „Das Universum in der Nussschale“ bis heute fasziniert. Sein einstündiger Vortrag war aber auch von Fachleuten mit Spannung erwartet worden. Mit Hilfe eines an seinem Rollstuhl installierten Sprachcomputers führte der Forscher aus, wie er dazu kommt, seine fast 30 Jahre alte Theorie zurückzunehmen. Den Schlüssel bildet – wie so oft – die Mathematik.

Jahrzehntelang galten schwarze Löcher als mathematische Spielerei einiger überspannter Forscher. Dass es sie tatsächlich geben könnte, war geradezu unvorstellbar. Auf welche Weise, bitte schön, sollte etwa die Masse der Sonne – das entspricht immerhin 333000 Erdkugeln – in einem Raum komprimiert werden, der so klein ist wie Berlins Innenstadt? Erst bei einer solchen Verdichtung würde sich die Sonne in ein schwarzes Loch verwandeln. In der Natur konnte es derart exotische Gebilde nicht geben, so die allgemeine Überzeugung.

Und es gibt sie doch. Die Indizien dafür sind mittlerweile erdrückend. Ein schwarzes Loch entsteht, wenn einem massereichen Stern der Brennstoff ausgeht. Er fällt dann unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammen. Ist der Stern schwer genug, kann kein nach außen gerichteter Druck diesen Kollaps aufhalten.

Es entsteht ein ungeheuer dichtes, schwarzes Loch, wie der Physiker John Wheeler dieses Phänomen 1967 taufte. Schwarz, weil der Masseansammlung nicht einmal ein Lichtstrahl entrinnen kann; Loch, weil alles, was sich zu stark nähert, für immer darin verschwindet.

Nach Ansicht der meisten Forscher sind schwarze Löcher im All weit verbreitet. Sie sind zudem Kristallisationspunkte neuer Theorien. Denn in ihnen fließen Relativitätstheorie und Quantenphysik, die bis heute unvereinbar sind, nach und nach zu einer neuen Weltsicht zusammen: Die Relativitätstheorie beschreibt, wie massive schwarze Löcher den sie umgebenden Raum krümmen. Die für die Mikrophysik gültige Quantentheorie wird benötigt, um zu entschlüsseln, wie sich Materie im Innern schwarzer Löcher auf engstem Raum verdichtet.

Hawking selbst untersuchte, was die Quantentheorie für schwarze Löcher bedeutet. Aus ihr folgt unter anderem, dass das Vakuum nicht wirklich leer ist. Es ist vielmehr eine brodelnde Quelle von Partikeln, die für kurze Zeit paarweise aufscheinen, um sich dann wieder gegenseitig auszulöschen. Geschieht dies unmittelbar am Rand eines schwarzen Loches, dem Ereignishorizont (siehe Kasten), so wird eines der Teilchen in das schwarze Loch gezogen. Das andere aber entweicht als Strahlung.

Schwarze Löcher sind damit gar nicht völlig schwarz, stellte Hawking 1974 fest. Sie glimmen. „Aufgrund dieser Strahlung verlieren schwarze Löcher ständig Masse und verdampfen schließlich völlig“, sagte er gestern der BBC.

„Bisher schien die Hawking-Strahlung zufallsbedingt und konturlos zu sein und alle Information über das, was in das schwarze Loch hineinfällt, für immer verloren“, fuhr Hawking fort. Dies aber laufe den Gesetzen der Quantentheorie zuwider, denen zufolge Informationen nie völlig verloren gehen können. „Wir könnten uns sonst niemals über Vergangenes sicher sein oder zuverlässige Vorhersagen für die Zukunft treffen.“ Rein rechnerisch war dieser Konflikt zunächst nicht zu beheben. Und so spekulierte Hawking, die Mahlzeiten der schwarzen Löcher könnten samt aller Informationen in Paralleluniversen verschwinden.

Vor drei Jahren legten die Physiker Maulik Parikh und Frank Wilczek kleine Verbesserungen an Hawkings Berechnungen vor. Auch aus der Stringtheorie gab es Einwände. Hawking aber fesselte das Problem so lange, bis er nun selbst eine neue Theorie vorlegen konnte.

Abweichungen von den bisherigen Formeln ergeben sich unter anderem daraus, dass der Ereignishorizont des schwarzen Lochs unscharf ist. Dadurch könnten, anders als zuvor gedacht, doch Informationen das schwarze Loch verlassen. „Es ist toll, ein Problem gelöst zu haben, das mich 30 Jahre lang gequält hat“, freut sich Hawking – obschon er seine Wette verloren hat.

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