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Gesundheit: Heilsames Gift

Das lähmende Botulinum-Toxin mildert paradoxerweise die Folgen des Schlaganfalls

Seit den Terroranschlägen des 11. September vergangenen Jahres ist Botulinum als mögliche Biowaffe in die Schlagzeilen geraten. Das Nervengift wird von dem Bakterium Clostridium botulinum gebildet. Ein Gramm dieses „giftigsten aller Gifte“ ist theoretisch imstande, eine Million Menschen zu töten. Auf der anderen Seite findet extrem stark verdünntes Botulinumtoxin mehr und mehr Eingang in die Medizin . Jetzt konnte ein amerikanisches Ärzteteam um die Neurologin Allison Brashear von der Universität Indiana in Indianapolis bewiesen, dass es auch beim Schlaganfall hilfreich sein kann – und dabei zudem gut vertragen wird.

Botulinum lähmt. Es unterbricht den Kontakt zwischen Nerv und Muskel, blockiert die biochemische Überträgersubstanz Acetylcholin. Der Muskel erschlafft – vorübergehend. Was an der Atemmuskulatur tödlich sein kann, ist bei vielen Nervenleiden erwünscht, bei denen ein Zuviel an Muskelanspannung vorherrscht. Zum Beispiel nach einem Schlaganfall. Der führt bei vielen Patienten zu spastischen Lähmungen: zur extrem starken Verkrampfung bestimmter Muskeln, die Gelenke erstarren und unbrauchbar werden lässt. Ursache ist das verlorene nervliche Gleichgewicht zwischen Streck- und Beugemuskulatur nach einem Schlaganfall: An den Armen überwiegen plötzlich die Beugemuskeln, an den Beinen die Streckmuskeln.

Die Neurologen spritzten Schlaganfall-Patienten mit Lähmungen im Bereich des Handgelenks und der Finger Botulinum (oder ein Scheinmedikament) in die verkrampften Beugemuskeln. Das Ergebnis: Botulinum war dem Scheinmedikament klar überlegen. Bei 62 Prozent der Kranken lockerte sich die Anspannung, das Anziehen der Kleidung und das Reinigen der Handinnenflächen unter den „verkrallten“ Fingern war besser möglich, berichten die Ärzte im Fachblatt „New England Journal of Medicine“.

„Noch sinnvoller ist es, Botulinum an den Beinen einzusetzen“, sagt Karl-Heinz Mauritz, Leiter der Neurologischen Rehabilitation an der Klinik Berlin. „Hier kann die spastische Lähmung dazu führen, dass der Fuß nach innen gezogen wird und die Patienten nicht mehr laufen können. Nach Botulinumspritzen kann der Fuß wieder abgerollt werden und der Patient laufen lernen.“ Hartmut Wewetzer

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