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HeilSTÄTTEN: Rosa und Grün fürs Gemüt

Umringt von hohen Birken, Linden, Magnolien, Kirsch- und Ahornbäumen, Kastanien und Kiefern liegt das Waldhaus (so nennt der Berliner die Kliniken des Theodor-Wenzel-Werks), an der Potsdamer Chaussee in Nikolassee. Der alte Name prangt noch mit beschwingten Lettern an der Villa, in der vor 109 Jahren Max Arndt und Emil Nawratzki ihr Anstaltsprojekt starteten.

Umringt von hohen Birken, Linden, Magnolien, Kirsch- und Ahornbäumen, Kastanien und Kiefern liegt das Waldhaus (so nennt der Berliner die Kliniken des Theodor-Wenzel-Werks), an der Potsdamer Chaussee in Nikolassee. Der alte Name prangt noch mit beschwingten Lettern an der Villa, in der vor 109 Jahren Max Arndt und Emil Nawratzki ihr Anstaltsprojekt starteten. Zu zwei Altbauten kamen durch Erweiterung vom Ende der 1980er bis ins Jahr 2000 sechs rote Klinkergebäude hinzu. Glasgänge, deren Scheiben türkis eingefasst sind, verbinden die Häuser. Umgebungs-Grün leuchtet durch zahlreiche Fenster.

Verlaufen kann man sich gut, aber in viele helle Korridore dringt von außen eine optimistische Botschaft: Transparenz, Farbe, Licht. Dass trotzdem einige Zimmer neu gestrichen werden, weil der Spezialton „cool down pink“ aufgebrachte Gemüter besänftigen soll, möchte man in diesem Ambiente für überflüssig halten. In die Hauskapelle ist St. Barbie jedenfalls noch nicht vorgedrungen. Dort muss der dunkle Cruzifixus, eine Schnitzarbeit aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, zwar im Vorraum hängen. Die Glasmalerei hinterm Altar changiert aber vom grüblerischen Violett übers saftige Grün ins strahlende Gelb. Eigentlich erscheint das Waldhaus, in dem keiner ohne Leidensdruck logiert, fast schön. Manchmal streift jemand wie Sie und ich, der mit sich selber spricht, über das herrliche Gelände.

Mit ihrer „Privatirrenanstalt“, die als „Heilanstalt für Gemütskranke“ anfangs über 147 Betten mit 25 Pflegern verfügte, hatten sich die jüdischen Chefs des Sanatoriums ab 1933 wachsenden Behinderungen stellen müssen. 1936 verkauften sie an die Innere Mission, Pastor Wenzel führte nun in Kooperation mit der Bonhoeffer-Nervenklinik eine Kur- und Pflegeanstalt für Nervenkranke. Auf Einschränkungen und partielle Militärnutzung folgte der Nachkriegsaufbau unter Trägerschaft des evangelischen Wichernwerkes, später Theodor-Wenzel-Werk. Heute verfügt das Waldhaus über zehn Stationen für Psychiatrie und Psychotherapie, unter anderem mit internistischem Schwerpunkt, für Psychosomatik und Neurologie, sowie eine Tagesklinik.

Behandelt werden auch Essstörungen, Drogensucht, vor allem die Volkskrankheit Depression. Man setzt auf tiefenpsychologisch begründete Psycho- wie auf Verhaltenstherapie, Gruppenangebote, Einzelkontakte. 308 Patienten – 415 Klinikmitarbeiter. Es gibt ein kleines Schwimmbad und einen Festsaal, in dem der Yehudi Menuhin Live Music Now e.V öffentlich musiziert; wo ein Chefarzt schon mal in die Tasten greift. Außenkontakte sollen das Klapsen-Image korrigieren. Die zwei Geschlossenen heißen: „geschützte Abteilungen“. Auf der gerontopsychiatrischen Station, die am hospitalähnlichsten anmutet, ist der Ausgang, um Ausflügler auszubremsen, mit Büchertapeten getarnt. Thomas Lackmann

THEODOR-WENZEL-WERK

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