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Gesundheit: Heinzelmännchen werfen alte Studenten aus der Kartei

Langzeitstudenten werden anscheinend immer unbeliebter. Drohte anhänglichen Studenten bislang schon die Pflichtberatung oder gar die Exmatrikulation, so wird ihnen nunmehr auch der Geldhahn zugedreht.

Langzeitstudenten werden anscheinend immer unbeliebter. Drohte anhänglichen Studenten bislang schon die Pflichtberatung oder gar die Exmatrikulation, so wird ihnen nunmehr auch der Geldhahn zugedreht. Zumindest bei den Heinzelmännchen, der studentischen Arbeitsver- mittlung der FU. Nach deren neuen Richtlinien sind Studierende, die zehn Jahre und länger in der Vermittlungskartei sind, von der Vermittlung ausgeschlossen. Mit der Regelung, die seit dem 1.August gilt, reagieren die Heinzelmännchen auf den ständigen Rückgang ihrer Vermittlungszahlen. Wurden 1996 noch 60 000 Studierende vermittelt, so waren es 1998 nur noch 35 000. Ein Rückgang, den sich die Heinzelmännchen auch mit der "Qualität" der Studierenden erklären. So würden sich viele Auftraggeber beschweren, wenn ihnen Arbeitskräfte vermittelt würden, die dem Bild eines jüngeren, flexibel einsetzbaren Studenten nicht entsprächen.

Um jedoch den bisherigen Vermittlungsumfang zumindest aufrechtzuerhalten, müsse auf die Erwartungen und Wünsche der Kunden eingegangen werden. "Wir haben einen Stamm von Studenten, die dem Studentenleben längst entwachsen sind", sagt Andreas Brickwell, stellvertretender Geschäftsführer der Heinzelmännchen. Diese Studenten seien zum Teil schon 40 bis 50 Jahre alt und damit für einen Arbeitgeber "einfach nicht mehr akzeptabel".

Und noch etwas soll die Neuregelung bewirken: "Wir wollen endlich sicherstellen, dass nur diejenigen in den Genuss der Arbeitsvermittlung kommen, die auch wirklich studieren", sagt Brickwell. Dass dies in der Vergangenheit nicht immer der Fall war, zeigt das Beispiel eines Studenten im 58. Semester: "Der hat selbst eingeräumt, er würde nicht mehr studieren", sagt Brickwell. Allerdings: Wer mit aktuellen Scheinen Studienleistungen nachweist, soll auch weiterhin vermittelt werden.

Wenig Verständnis für die Neuregelung zeigt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). In einem Schreiben an den Leiter des Studentenwerks bezeichnet sie die Maßnahme als ungerechtfertigt und rechtlich nicht haltbar. Nach Ansicht der GEW ist es es nicht Sache der Heinzelmännchen, darüber zu entscheiden, wer ordentlich studiert und wer nicht. Jeder eingeschriebene Student der FU müsse auch Zugang zur Arbeitsvermittlung haben. Die Argumentation der Heinzelmännchen bewertet die GEW als "geradezu zynisch" und sieht die Gefahr, dass "zukünftig auch chronisch Kranke oder behinderte Studierende von der Vermittlung ausgeschlossen werden, weil deren Qualität für den Arbeitsmarkt geringer eingeschätzt wird". Rechtliche Schritte beabsichtigt die GEW jedoch nicht, da nur die Betroffenen selbst gegen die Regelung vorgehen könnten.

Für andere studentische Arbeitsvermittlungen ist eine Begrenzung der Teilnahmezeit momentan kein Thema. Die TUSMA will das Vorgehen der Heinzelmännchen "nicht kommentieren", plant aber vorerst keine ähnliche Regelung. Für Ratko Ratkodjokic, Geschäftsführer der privaten Arbeitsvermittlung "effektiv", ist die Maßnahme eher unverständlich: "Es entscheidet allein die Leistung am Arbeitsplatz." Allerdings seien von den 3500 Studenten seiner Agentur auch nur "eine Hand voll" über dreißig Jahre alt. Möglicherweise wird sich dies jedoch bald ändern: "Ich freue mich auf alle, die wechseln wollen", sagt Ratkodjokic.

Jochen-Martin Gutsch

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