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Gesundheit: Hilfe zur Selbsthilfe

Der Impfschutz sollte bereits im Kindesalter beginnen

Die moderne Medizin hat spektakuläre Methoden anzubieten: Genaue Diagnosestellung dank Magnetresonanztomografie und Computertomografie, lebensrettende Operationen am offenen Herzen und Organtransplantationen. Und dann gibt es da noch die anderen Verfahren. Die, an die man sich gewöhnt hat und die fast unbemerkt wirken. Zu dieser zweiten Sorte gehören die Impfungen. Im Bulletin des Robert-Koch-Instituts ist zwar zu lesen, dass sie zu den „wirksamsten und wichtigsten präventiven Maßnahmen“ zählen. Trotzdem stehen sie nicht im Rampenlicht – schon weil wir die Krankheiten, deren Ausbruch sie verhindern, zum großen Teil gar nicht mehr richtig kennen.

Ein Beispiel: Im Jahr 1952 erkrankten in Deutschland 10 000 Menschen an Kinderlähmung. Dann kam die Schluckimpfung, die später durch einen Impfstoff ersetzt wurde, den der Arzt per Spritze verabreicht. Der letzte Fall einer Polioinfektion in Deutschland wurde im Jahr 1992 registriert.

Eigentlich eine Erfolgsgeschichte. Der größte Misserfolg von Impfungen sei aber möglicherweise ihr Erfolg, sagt der Kinderarzt und Impfexperte Heinz-Josef Schmitt von der Uni Mainz. Warum sollte man sich noch gegen Krankheiten schützen, die man im Alltag gar nicht mehr als Bedrohung erleben kann? Zwar zahlt seit dem 1. April 2007 die Krankenkasse alle Impfungen, die die Ständige Impfkommission (Stiko), eine beim Berliner Robert-Koch-Institut angesiedelte Expertengruppe, empfiehlt. Doch man muss zur Auffrischung extra zum Arzt gehen, und vorübergehende leichte Nebenwirkungen sind auch nicht auszuschließen.

Bei den Jüngsten ist das noch anders: Für sie sind ohnehin feste Vorsorgeuntersuchungstermine vorgesehen, die der Kinderarzt gleich nutzen kann, um mit den Eltern über die laut Stiko-Impfplan anstehenden Impfungen zu sprechen. „Wir nutzen jeden Besuch der Familien, um nach den Impfungen zu schauen“, sagt die Schöneberger Kinderärztin Elke Jaeger-Roman, Vorsitzende des Berliner Landesverbandes der Kinder- und Jugendmediziner. Schuleingangsuntersuchungen und der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) zeigen denn auch, dass der Schutz der Kinder gegen Diphtherie, Tetanus und Polio mit weit über 90 Prozent gut ist. Auch der erste Schutz gegen die klassischen „Kinderkrankheiten“ Masern, Mumps und Röteln wird offensichtlich ernst genommen. Doch mit der Auffrischung von Impfungen sieht es schlechter aus – vor allem bei den Jugendlichen, die glücklicherweise selten Grund haben, zum Arzt zu gehen.

Das zeigt, dass meist Nachlässigkeit und Vergesslichkeit der Grund sind, wenn Impfungen nicht stattfinden. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte schätzt, dass nur drei Prozent der Eltern Impfungen grundsätzlich ablehnen. In solchen Fällen nimmt sich Kinderärztin Jaeger-Roman viel Zeit für aufklärende Gespräche. „Ich erzähle den Eltern von den Fällen, die ich selbst erlebt habe: von Säuglingen mit schwerem Keuchhusten oder von Kindern, die infolge von Masern eine schwere Komplikation bekommen haben.“

Einen „Impfzwang“ gibt es in Deutschland nicht. Der Berufsverband plädiert aber inzwischen dafür, den Besuch staatlicher Kitas und Schulen davon abhängig zu machen, dass die öffentlich empfohlenen Impfungen gegeben wurden. Wer sich und seine Kinder impfen lässt, schützt nicht allein sich selbst und die eigene Familie, sondern auch andere vor Krankheiten, die schwere Komplikationen nach sich ziehen können. Dabei geht es auch um das Wohl der Kinder, die Impfungen nicht vertragen: „Man würde so nicht nur das Kinderrecht auf Impfungen umsetzen, man würde erstmals in unserem Lande auch jenen Kindern, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, gefahrlos den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen überhaupt erst ermöglichen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes. Im besten Fall kann eine Krankheit – wie die Pocken in den 70er Jahren – ganz verschwinden, dieses ehrgeizige Ziel hat sich die WHO jetzt für die Masern gesetzt.

Auch die Generation der Großeltern sollte sich impfen lassen, und zwar nach den Empfehlungen der Stiko im Alter über 60 Jahren vor allem gegen die Grippe. Obwohl die Grippeimpfung nicht in jedem Fall sicheren Schutz gegen die echte Influenza bietet, profitieren Menschen über 65 im Durchschnitt deutlich davon. Dass Geimpfte seltener ins Krankenhaus müssen und dass ihr Risiko, an der Krankheit zu sterben, um die Hälfte sinkt, zeigt eine Studie aus den USA, die jetzt im Medizinerblatt New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde.

Ganz stimmt es übrigens doch nicht, dass den Impfungen grundsätzlich der „Glamour-Faktor“ fehle. Großer Beliebtheit erfreut sich etwa die „Zeckenimpfung“ gegen FSME, die Frühsommer-Enzephalo-Meningitis – eine Vorbeugung, die nur wenige brauchen. Auch die Impfung gegen Humane Papillomaviren (HPV), seit kurzem für Mädchen zwischen 12 und 17 empfohlen, wird gut angenommen. Sie kann die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs verhindern. Krebs – das klingt nicht so harmlos wie „Kinderkrankheiten“.

Weitere Informationen im Internet:: www.rki.de

www.travelmed.de

Adelheid Müller-Lissner

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