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Gesundheit: Homöopathie soll sich der Physik stellen

Ein Buch über alternative Medizin und Naturwissenschaft

An den sprichwörtlichen homöopathischen Dosen scheiden sich die Geister. Die einen sind von der Heilkraft der angeblich potenzierten Mittel überzeugt. Die anderen dagegen sehen in ihnen nichts als wirkstofffreie Scheinmedikamente. Wohl die meisten Menschen aber sind der Ansicht, Homöopathie helfe in einigen Fällen, in welchen, lasse sich aber nur schwer sagen, da bleibe nur das Ausprobieren.

Unter den alternativen Heilverfahren hat es die Homöopathie in der Gesellschaft am weitesten gebracht. Der Gesetzgeber hat eigens Medikamente der „besonderen Therapierichtungen“, dazu zählen auch die homöopathischen, von der strengen wissenschaftlichen Wirksamkeitsprüfung befreit. Und tatsächlich geht den mit statistischen Methoden fahndenden Testern der homöopathische Effekt regelmäßig durchs Netz – oder aber sie jagen einem Phantom nach.

Eine Gruppe von Gutachtern kam im Auftrag der EU-Kommission 1996 zu dem Schluss, dass sich eine über Placebo (Scheinmedikament) hinausgehende Wirkung homöopathischer Mittel nicht einwandfrei nachweisen lasse. Fast alle Studien, bemängelten die Experten aber auch, seien methodisch unzureichend.

Die Jagd nach dem Phantom lohnt sich auf jeden Fall, ist der Physiker Martin Lambeck überzeugt. Der Professor an der Technischen Universität Berlin läutet eine neue Runde im alten Streit um alternative Medizin und Esoterik ein. Lambeck beschäftigt sich mit alternativen Heilkünsten und Esoterik, die für ihn eine ernst zu nehmende Herausforderung an Wissenschaft und Politik sind. Die ungewöhnlichen Ideen gehen ans Eingemachte, sie stellen in bestimmten Punkten die Physik, die Basis der Naturwissenschaften, in Frage. Darum und darüber hat Lambeck ein Buch geschrieben, das den Titel trägt „Irrt die Physik?“.

Von Hahnemann bis Feng Shui

Lambeck sondiert die Herausforderung durch unphysikalisch anmutende Phänomene. Das gelingt ihm gut mit Hilfe der Kunst des Auslassens und der Beschränkung auf die wesentlichen Aussagen. Die Darstellung der vier Kräfte der Physik auf fünf Seiten macht den Leser zwar eher ratlos. Dann aber stellt er prägnant die Prinzipien der Homöopathie nach Hahnemann und der Anthroposophie nach Steiner vor. Außerdem behandelt er Parapsychologie, Erdstrahlen, Wünschelruten, Pendeln und Feng Shui.

Das klingt nach einem rasenden Parcours, ist es aber nicht. Lambeck verliert nie den roten Faden, zeigt, wo die Konflikte mit der Physik liegen. Denn die beiden zentralen Fragen über ein Phänomen lauten, ob überhaupt eine Wirkung eindeutig feststellbar ist; und wenn ja, ob sie im Widerspruch zur geltenden Physik steht. Der Autor erklärt, warum eine „D30-Lösung“ kein einziges Molekül der Urtinktur enthält, oder welchen Unterschied es macht, ob man eine Lösung wie im Labor herstellt oder aber in Einzelschritten verdünnt und mit Luft vermischt.

Wenn er bemerkt, dass viele Bauherren Millionensummen in den fraglichen Schutz vor Erdstrahlen stecken, reißt er gesellschaftliche Aspekte nur an. Dass der Einzelne sich nur schwer oder gar nicht im Supermarkt der Heilschulen orientieren kann, scheint der Preis dafür zu sein, dass Gesellschaft und Staat zunehmend die Existenz alternativer Ideen anerkennen.

Der Forscher plädiert für eine physikalische Grundlagenforschung in den Bereichen Medizin und Biologie – mit dem Menschen im Mittelpunkt. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre es, wenn Vertreter der verschiedenen Lager sich auf grundsätzliche Tests einigen könnten. Lambeck vermutet, dass überraschende Entdeckungen auf die Forscher warten.

Martin Lambeck: „Irrt die Physik? – Über alternative Medizin und Esoterik“. Beck 2003, 176 Seiten, 9.90 Euro.

Peter Düweke

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