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Gesundheit: „Ich habe es getan“

Er war einer der vielseitigsten Physiker – und half, die Atombombe zu bauen. Zum Tod von Hans Bethe

„Bethe ist ein schwerer Mann mittleren Alters, es geht von ihm Würde und Freundlichkeit aus. Er trägt gescheiteltes Haar, und er hat die Gewohnheit eines deutschen Professors.“

* * *

Mit diesen Worten führt der Dramatiker Heinar Kipphardt den deutsch-amerikanischen Physiker Hans Bethe in dem szenischen Bericht ein, der die Verhandlungen auf die Bühne gebracht hat, die „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ geführt wurden. Bethe war von 1943 bis 1946 Direktor der Abteilung für theoretische Physik im Atomforschungsinstitut in Los Alamos und damit maßgeblich am Bau der Atombombe beteiligt.

Mitte der 1950er Jahre wird er von einem Ausschuss gebeten, Auskunft über die Entwicklung der Wasserstoffbombe – der Superbombe – nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu geben, und wir hören ihn den verwickelten Satz sagen: „Ich kam zu der Überzeugung, daß wir diese schreckliche Waffe zuerst haben sollten, wenn sie überhaupt herstellbar wäre. Ich ging (zurück nach Los Alamos) in der Hoffnung, daß sie sich nicht als herstellbar erweisen möge.“

Die innere Sorge verließ Bethe nicht mehr: „Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich das Falsche tat“, sagte er 1954. „Aber ich habe es getan.“ In diesen Worten drückt sich ein Dilemma der Physikergeneration aus, zu der der 1906 in Straßburg geborene Hans Bethe gehört hat. Als sie mit dem Studium begannen – in Bethes Fall war dies in Frankfurt am Main und München der Fall –, ging es nur um reine Grundlagenphysik, und jeder Gedanke an eine kriegerische Anwendung konnte nur lachhaft erscheinen.

In Bethes Jugendjahren tauchte eine neue Physik auf, die extrem aufregend war. Zum ersten Mal schien man in der Lage, die ganz großen Fragen der Physik beantworten zu können – etwa die nach der Stabilität der Materie und die nach der Energiequelle der Sonne.

Bethe war zu spät geboren, um zum ersten Thema beitragen zu können. Er hat aber, zusammen mit Carl Friedrich von Weizsäcker, dem jetzt letzten Überlebenden der großen Generation von Physikern, die in den 1920er Jahren unser Weltbild revolutioniert haben, herausfinden können, wie die Sonne die Energie produziert, die das Leben auf der Erde möglich macht.

1937/8 zeigen Bethe und von Weizsäcker, wie durch einen raffinierten Kreislauf Wasserstoffkerne zu Heliumkernen verschmelzen und dabei Energie freisetzen können. Neben dem Bethe-Weizsäcker-Zyklus ist Bethes Name noch als Bethe-Bloch- Formel (für elektromagnetische Wechselwirkungen), als Bethe-Heitler-Formel (für Elektronen in Materie), als Bethe-Salpeter-Wellengleichung (für die Feinaufspaltung von Spektren) und als Bethe-Tait-Störfall (in der Reaktortechnik) in der Literatur und in Lexika vertreten. Wobei der Sinn dieser Aufzählung darin liegt, auf die Spannweite der Themen hinzuweisen, die Bethe als Theoretiker bearbeitet hat. Sie wird nur von der Kooperationsfähigkeit übertroffen, die ihm dabei alle attestiert haben.

Wer Bethe gekannt hat, war voll des Lobes über sein Verständnis von Wissenschaft als einem sozialem Geschehen und seine ungeheure Allgemeinbildung. Wer sich in ein neues Gebiet einarbeiten wollte, brauchte bloß ein Gespräch mit Bethe zu beginnen und das Thema in die gewünschte Richtung zu lenken, um alles Nötige verständlich zu erfahren.

Bethe hat Deutschland 1933 wegen seiner jüdischen Mutter verlassen müssen, um über England in die USA zu gehen. Die Cornell-Universität im Staate New York bot ihm 1937 eine Professur für Physik an, und hier ist Bethe bis zum Ende seines Lebens geblieben, mit der Ausnahme der Kriegsjahre und der Rückkehr nach Los Alamos für das Jahr 1952, „um die Super zu machen“, wie es bei Kipphardt heißt.

Übrigens wird Bethe an dieser Stelle des Theaterstücks (historisch korrekt) vorgeworfen, dass er ein sehr hohes Gehalt gefordert und bekommen hat. Seine Begründung bleibt bis heute überzeugend: „Gute Gedanken sind teuer. Ich esse gern.“

1955 wurde Bethe mit der Max- Planck-Medaille ausgezeichnet, 1961 erhielt er den Enrico-Fermi-Preis und 1967 bekam er den Ritterschlag des Nobelpreises, und zwar für seine Einsichten in die Energieentstehung der Sterne. Schon vor dieser Zeit haben zahlreiche amerikanische Regierungen ihn um seinen Rat gebeten, vor allem als es darum ging, Abkommen über ein Testverbot von Atomwaffen zu schließen.

Als die amerikanische Politk aggressiver wurde, hat Bethe seinen Rat auch ungebeten erteilt. 2004 hat er sich in einem offenen Brief zusammen mit 47 anderen Nobelpreisträgern gegen die Wiederwahl von George W. Bush ausgesprochen, da ihm dieser Präsident zu wenig Forschungsinteresse und zu viel Kriegsbereitschaft zeigte.

Am Sonntag ist Hans Bethe in seinem Haus in Ithaca (New York) gestorben. Er war mit der Tochter des in Fachkreisen bekannten Physikers Paul Ewald verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte.

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