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Gesundheit: In die Freiheit entlassen

In Niedersachsen werden im nächsten Jahr voraussichtlich vier Hochschulen in Stiftungen umgewandelt

Von Bärbel Schubert

Das Land Niedersachsen geht stiften – und will damit seinen Hochschulen einen kräftigen Schubs in Richtung Eigenverantwortung geben. Die Vorbereitungen sind schon weit fortgeschritten, die gesetzlichen Grundlagen auf Bundes- und Landesebene für die neuen Stiftungshochschulen bereits geschaffen. Zum Jahr 2003 werden voraussichtlich die ersten drei bis vier Hochschulen den Schritt in die neue Rechtsform vollziehen. Darunter ist auch die große Traditionsuniversität Göttingen, berichtete der leitende Ministerialbeamte Klaus Palandt jetzt auf einer Hochschultagung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Damit wird in Niedersachsen bald Realität, was als Modell für die Freie Universität Berlin monatelang fruchtlos diskutiert wurde.

Bei dem niedersächsischen Modell soll der Staat auch weiterhin für die Gesamtplanung und für die laufende Finanzierung der Stiftungshochschulen sorgen, und zwar im vollen bisherigen Umfang. Das Ziel: Die Hochschulen sollen effektiver und besser werden, unkomplizierter private Mittel einwerben können und selbst wendiger für das Erreichen dieser Ziele sorgen als das ein Wissenschaftsministerium kann. „Das Modell funktioniert aber nur, wenn die Finanzierung berechenbar bleibt“, sagt Palandt. Der wichtigste Vorteil für die Hochschulen: Das Land überträgt ihnen ihre Gebäude und Grundstücke. Die Hochschulen dürfen diese dann selbst bewirtschaften.

Bei den Übertragungen geht es um beachtliche Werte. Die Medizinische Hochschule Hannover beispielsweise ist nach Palandts Worten für rund 700 Millionen Euro errichtet worden und hat jetzt einen Wert von 900 Millionen Euro. Sollten alle sechs Hochschulen, an denen eine Umwandlung derzeit im Gespräch ist, tatsächlich Stiftungshochschulen werden, müsste sich Niedersachsen von rund fünf Milliarden Euro an Vermögenswerten trennen. So etwas läuft auch in Niedersachsen nicht ohne Konflikte mit dem Finanzminister ab.

Gretchenfrage Finanzierung

Auf diese Weise erhalten die Stiftungshochschulen vom Staat zwar kein Stiftungskapital. Doch sie können Grundstücke oder Gebäude bewirtschaften, also vermieten, oder beleihen und sogar verkaufen, um Geld für Neubauten zu bekommen. So könnten beispielsweise zeitgemäße Forschungsinstitute entstehen. Fehlt einer Hochschule die Hauptbibliothek, wie jetzt der Humboldt-Universität in Berlin, könnte sie ohne weitere Probleme die Mittel dafür aus ihren anderen Liegenschaften beschaffen. Dabei sind alle Aktivitäten an den Stiftungszweck gebunden. Das Land seinerseits hat sich vorbehalten, dass es beim Scheitern einer Stiftung die Immobilien zurückerhält.

Außerdem erhofft sich die Politik, dass Stiftungshochschulen für private Stifter und Spender attraktiver sind als die bisherigen öffentlichen Hochschulen. Dabei liebäugelt man mit den großen Erbschaften der nächsten Jahrzehnte. Das vererbte Kapital wäre durch die Bindung an den Stiftungszweck stärker gesichert, meint man in Hannover. Doch bis überhaupt zusätzliche Mittel durch Kapitalerträge und Spenden fließen, wird noch viel Zeit vergehen. In absehbarer Zeit jedenfalls sollen sich zusätzlich eingeworbene Mittel nicht negativ auf die staatliche Förderung auswirken, versichert Palandt. Doch ob das Parlament sich dazu verpflichtet, muss sich noch herausstellen. Das ist ohnehin die Gretchenfrage. Denn ist es denkbar, dass das Parlament den selbstständigeren Hochschulen letztlich gewährt, was es den staatlichen bisher verweigert hat?

Aber gezwungen wird niemand: Die Hochschulen müssen ihre Umwandlung in eine Stiftung immerhin mit Zwei-Drittel-Mehrheit selbst beantragen. In Göttingen sind beispielsweise vor einer Einigung noch Konflikte zwischen der Medizin und dem Kern der Hochschule beizulegen. Interesse haben außerdem die Universitäten Lüneburg und Hildesheim, die Fachhochschule Osnabrück sowie die Tierärztliche Hochschule und die Medizinische Hochschule Hannover (MHH).

Die MHH hat die Verhandlungen auch angestoßen und für sich sehr vorteilhafte Konditionen erwirkt, berichtete Hochschullehrer Hansjürgen Otto. Prägend sei die dort starke Präsenz der Gewerkschaft Verdi gewesen. So bleiben die Personalregelungen an die Tarifgemeinschaft der Länder gebunden und an das öffentliche Dienstrecht. Als zusätzlicher Anreiz für Zaudernde wurde in Niedersachsen vereinbart, dass es durch die Umwandlung in eine Stiftungshochschule keine Entlassungen geben wird.

Wissenschaftsministerium abgespeckt

Das niedersächsische Wissenschaftsministerium hat schon Konsequenzen aus der künftigen Selbstständigkeit der Hochschulen gezogen: Von 220 Stellen ist das Haus auf 175 geschrumpft. Palandt berichtete: „Wir geben weitere Stellen ab, wenn die Hochschulen Berufungsrechte bekommen.“

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