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Gesundheit: Kluge Köpfe, volle Töpfe

Mit dem Bildungsniveau steigt der Wohlstand, heißt es im neuen OECD-Bericht. Deutschland hat zu wenig Studenten, aber es werden mehr

Wie entsteht eigentlich Wirtschaftswachstum? Über diesem Geheimnis brüten Politiker mindestens anlässlich jeder neuen Arbeitslosenstatistik. Die Bildungsforscher der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben herausgefunden: Wenn der Bildungsstand der Erwerbstätigen steigt, nimmt auch die Produktivität zu. Das Bruttoinlandsprodukt steigt. Anders als andere Industriestaaten hat nun Deutschland in den 80er und 90er Jahren beim Bildungsstand der Bevölkerung kaum noch zugelegt. Und bei der Steigerung der Arbeitsproduktivität liegt es international inzwischen abgeschlagen auf dem drittletzten Platz, erläuterte OECD-Bildungsforscher Andreas Schleicher am Dienstag bei der Vorstellung der neuen Studie „Bildung auf einen Blick“ in Berlin.

Dieses Ergebnis hat viele Facetten: Noch immer studieren in Deutschland weniger junge Leute als in anderen Industriestaaten. So ist die Zahl der Studenten im Durchschnitt der OECD-Staaten allein seit 1995 um über 30 Prozent gestiegen. Während in Finnland und Neuseeland schon mehr als 70 Prozent der Jugendlichen ein Studium beginnen und im OECD-Durchschnitt fast jeder zweite, sind dies in der Bundesrepublik nur 32 Prozent. „Doch die Trendwende ist geschafft“, lobte Schleicher die deutsche Politik. Seit 1998 ist die Zahl der Studienanfänger immerhin um vier Prozent gestiegen.

Doch auch gute Vorsätze helfen bei einer neuen Bildungsexpansion nur bedingt: Da nur 42 Prozent der deutschen Jugendlichen die Schule mit der Hochschulreife verlassen, sei das Studienpotenzial fast ausgeschöpft. Ein Blick auf die Frauenquote und den Bildungsstand der ausländischen Jugendlichen zeigt allerdings die Bildungsreserven: Bei beiden liegt Deutschland am Ende der Skala. Deutschland ist eines der wenigen OECD-Länder, in denen heute mehr Männer als Frauen ein Studium abschließen. Die Bundesregierung hat das Problem Bildungsbeteiligung erkannt: Bildungsstaatssekretär Wolf-Michael Catenhusen (SPD) kündigte einen „Hochschulpakt“ an, mit dem das Studium attraktiver werden soll. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Wolff (CDU), sprach von einem „schützenswerten Mix aus Abitur und Berufsausbildung“, an dem man festhalten wolle.

Doch auch wenn man bedenkt, dass ein großer Teil der deutschen Fachkräfte anders als im Ausland durch eine betriebliche Lehre ausgebildet wird, gerät die Bundesrepublik der Studie zufolge langsam ins Abseits: Rechnet man Abiturienten und Absolventen einer Lehre zusammen, ist Deutschland in seiner Bildungsdomäne, dem SekundarstufenII-Abschluss in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen inzwischen vom ehemals vierten auf den zwölften Platz zurückgefallen. Der Grund auch hier: andere Länder haben mit einer Bildungsexpansion in den letzten 20 Jahren aufgeholt. Einige Ergebnisse der Studie werfen auch ein neues Licht auf das schlechte deutsche Abschneiden bei der Schulstudie Pisa: Gerade die jüngeren Schüler werden in Deutschland weniger gefördert als im Ausland. Die Ausgaben für die Grundschule und die SekundarstufeI (bis zur zehnten Klasse) sind niedriger als im OECD-Durchschnitt. Dem entspricht, dass beispielsweise die Sieben- bis Achtjährigen hierzulande mit 642 Stunden weniger Unterricht erhalten als im OECD-Schnitt. Die Klassen sind größer als sonst üblich.

Doch bis Bildungsreformen Früchte tragen, dauert es mindestens fünf bis zehn Jahre, so Schleicher. Das wird sich auch auswirken, wenn demnächst die Lehrer knapp werden. In Fächern wie Informatik, Mathematik, Fremdsprachen und Naturwissenschaften herrsche schon jetzt in vielen Mitgliedsstaaten Mangel. In Deutschland ist aber darüber hinaus ein Lehrermangel absehbar, wenn in den nächsten 15 Jahren mehr als die Hälfte der heute aktiven Lehrkräfte in den Ruhestand tritt.

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