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Gesundheit: Konkurrenz für Viagra

Das Potenzmittel „Cialis“ soll noch 24 Stunden nach der Einnahme wirken

„Deutschland bäumt sich auf.“ Nein, die Überschrift konnte „Bild“ sich nicht verkneifen. Schließlich ging es um eine neue „Super-Sexpille“, ein Potenzmittel, brauchbar, nützlich und verstärkten Genuss versprechend auch für Männer „ohne Stand-Probleme“. Was steckt hinter diesen großspurigen Ankündigungen?

Das Präparat mit dem Wirkstoff Tadalafil und dem Handelsnamen „Cialis“, das seit dem 3. Februar auch in Deutschland verschrieben werden darf, ist wie das längst sprichwörtliche Viagra (Wirkstoff: Sildenafil) ein rezeptpflichtiges Medikament aus der Gruppe der Phosophodiesterase-5-Hemmer. Die Hemmung des Enzyms mit dem komplizierten Namen sorgt für Entspannung der Muskulatur der Schwellkörper und damit für besseren Zufluss und sicheren Verbleib des Bluts im Penis.

All das zusammen ist ganz sachlich gesehen die biologische Voraussetzung für eine Erektion. Medikamente aus dieser Gruppe können also die „normale“ Reaktion auf sexuelle Stimulation und Erregung erleichtern. Für Stimulation und Erregung selbst sorgen sie nicht. Sie sind aber unter Umständen hilfreich für Menschen, die mit der Reaktion auf solche Reize Schwierigkeiten haben.

Mediziner geben der Schwierigkeit einen Namen: Unter Erektiler Dysfunktion leiden Männer, deren Glied auch in eigentlich anregenden Situationen immer wieder ganz oder teilweise diesen Dienst verweigert. Zugleich leiden oft auch Partnerin und Beziehung. Die Bezeichnung für das Leiden ist natürlich ein Sammelname, denn die Ursachen für Erektionsstörungen sind vielfältig. Ob körperliche oder seelisch-partnerschaftliche Probleme am Anfang standen, kann meist nicht fein säuberlich auseinander gehalten werden. Urologen, die Spezialisten für die männlichen Sexualorgane, gehen inzwischen davon aus, dass in etwa einem Drittel aller Fälle krankhafte Veränderungen der Blutgefäße die Ursache sind.

Erektionsstörungen, von denen ein Patient seinem Arzt berichtet, sind deshalb in manchen Fällen Hinweise auf eine Arteriosklerose oder sogar Vorboten eines Infarkts. Aber auch die mangelnde Fähigkeit der Schwellkörper, das Blut an Ort und Stelle zu halten, oder Störungen in der Weiterleitung der wichtigen Stimulations-Informationen durch die Nervenbahnen können die körperliche Ursache bilden. Viele Betroffene sind Diabetiker, einige haben Prostata-Operationen hinter sich.

„Erektionsstörungen werden für viele Paare zum wirklichen Lebensproblem. Der Arzt muss sie ernst nehmen“, fordert der Urologe Michael Truss von der Medizinischen Hochschule in Hannover, wo über das Thema geforscht wird. Seine Kollegen und er begrüßen, dass mit Viagra und seiner Konkurrenz neue Therapien möglich sind.

„Ob sie dem jeweiligen Patienten helfen können, muss aber durch sorgfältige Untersuchung abgeklärt werden“, sagt Truss. Einige Herzmedikamente vertragen sich zum Beispiel absolut nicht mit Viagra und Co. Außerdem müssen Arzt und Patient auch offen darüber sprechen, ob die lustvolle Tätigkeit, die die Pille vielleicht nach längerer Zeit erstmals wieder ermöglichen soll, für Herz und Kreislauf nicht schlicht zu anstrengend ist. Und welche unerwünschten Folgen die Einnahme haben kann: Kopfschmerzen sind die häufigste Nebenwirkung, gefolgt von Gesichtsrötung. Beides ist darauf zurückzuführen, dass die Phosophodiesterase-Hemmer die Blutgefäße erweitern. Ob das neu eingeführte Cialis der Firma Lilly insgesamt besser wirkt als der Klassiker Viagra von der Konkurrenz Pfizer, müssen firmenunabhängige wissenschaftliche Vergleichsstudien zeigen, die jetzt anlaufen. Fest steht: Cialis ist länger wirksam, nach Firmeninformationen ermöglicht es die verbesserte Reaktion auf sexuelle Stimuli bis zu 24 Stunden nach der Einnahme. Doch will das jeder Patient? Die längere Wirkdauer gilt schließlich auch für Nebenwirkungen wie die Kopfschmerzen. „Wir müssen mit dem Patienten zusammen überlegen, welches Präparat für ihn besser geeignet ist.“

Werden sich bald auch gesunde Männer ein Rezept für die erektionssteigernde blaue oder gelbe Pille von ihrem Arzt wünschen, um ihren Urlaub oder ihr Wochenende um ein paar Höhepunkte zu bereichern? Frei nach dem Motto: „Wo kriegt Mann die Sexpille?“ „Wenn man das Thema so darstellt, wird man den vielen kranken Männern und betroffenen Partnerschaften nicht gerecht“, sagt Truss. Man dürfe gerade bei einem so sensiblen Thema nicht alles in einen Topf werfen, echtes Leiden und ehrgeizigen Lifestyle. „Schon deshalb nicht, weil wir hier keine Smarties verordnen.“ Mit fast 50 Euro für vier Pillen würde zudem in solchen Fällen das Budget nicht unerheblich belastet.

Ähnlich wie eine Brille oder ein Hörgerät gegen nachlassende Sinnesleistungen können die neuen Medikamente in manchen Fällen ein Hilfsmittel sein, wenn die Erektionsfähigkeit krankheits- und altersbedingt nachlässt. Wer aber gut sieht, sieht mit Brille nicht besser. Keiner käme auf die Idee, aus einem Hörgerät ein „Lifestyle“-Accessoire zu machen. Außer ein paar Zynikern vielleicht – solange sie noch gut hören.

Adelheid Müller-Lissner

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