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Gesundheit: Kraftwerk fürs Klima

Braunkohle verbrennen und Kohlendioxid einlagern: Ingenieure tüfteln an einer neuen Energietechnik

Fast ist sie perfekt, die deutsche Braunkohle. Kein anderer Energieträger, möchte man meinen, hat so viele Vorteile: Anders als Steinkohle liegt Braunkohle nur wenige Meter unter der Erde, deshalb lässt sie sich einfach fördern, ohne einen einzigen Euro Subventionen. Entsprechend billig ist der Strom, den man aus ihr gewinnt. Vor allem aber ist Braunkohle einer der wenigen Rohstoffe, die hierzulande überhaupt vorkommen; Importabhängigkeiten wie bei Erdgas oder Öl gibt es nicht.

Also alles bestens – wenn da nicht der Umweltschutz wäre. Denn unter ökologischen Gesichtspunkten ist Braunkohle wohl der schlechteste aller Energieträger. Erst werden durch die Förderung im Tagebau Landschaften zerstört, und dann entstehen bei der Verbrennung im Kraftwerk so viele Abgase wie bei keinem anderen Energieträger. Je Megawattstunde Strom fallen bei Braunkohle 1,6 Tonnen des Klimagases Kohlendioxid an. Zum Vergleich: Bei Steinkohle sind es 1,3 Tonnen, bei Erdgas nur 0,6 Tonnen.

Zumindest für dieses Problem könnte es in Zukunft jedoch eine Lösung geben. Denn der Energiekonzern Vattenfall Europe, der seinen Strom zu 80 Prozent aus Braunkohle gewinnt, entwickelt ein kohlendioxidfreies Kraftwerk. Am Standort Schwarze Pumpe in der Nähe von Cottbus entsteht das erste Projekt für das Oxyfuel-Verfahren. „Weltweit sind wir in dieser Technik Vorreiter“, sagt Projektleiter Markus Sauthoff.

Das Prinzip eines kohlendioxidfreien Kraftwerks ist einfach: Das bei der Verbrennung anfallende Gas wird verflüssigt und in unterirdischen Speichern eingelagert. Geeignet sind dafür zum Beispiel ehemalige Öl- oder Erdgasfelder, schließlich halten die schon seit Millionen von Jahren dicht. Komplizierter sind dagegen die Details. Denn aus Platzgründen muss das Kohlendioxid hoch konzentriert sein, bevor es eingelagert werden kann. Deshalb muss es von sämtlichen Rauchgasen getrennt werden. Genau das ist die Aufgabe des Oxyfuel-Verfahrens.

Der Clou sind die Zutaten. So will Vattenfall für die Verbrennung statt normaler Luft reinen Sauerstoff verwenden. Der in Luft vorhandene Stickstoff bleibt außen vor. Außerdem wird die Braunkohle vor der Verbrennung getrocknet, ihr hoher Wasseranteil von 50 Prozent soll dadurch gegen Null sinken. Im Brennkessel reagieren dann deutlich weniger Stoffe miteinander als normalerweise.

Darüber hinaus wird das entstehende Rauchgas immer wieder in den Brennkessel eingespeist. Entsprechend rein ist das Kohlendioxid, das am Ende des Prozesses herauskommt. Liegt der Kohlendioxid-Anteil in der Abluft sonst bei 15 Prozent, steigt er durch das Oxyfuelverfahren auf mehr als 90 Prozent. Dieses hochkonzentrierte Kohlendioxid kann unter Druck verflüssigt werden und gerät so nicht in die Atmosphäre.

Was danach mit dem Endprodukt geschieht, steht noch nicht fest. „Wahrscheinlich fahren wir es mit Tank-Lastern nach Ketzin“, erklärt Sauthoff. Ketzin liegt im Havelland, rund 25 Kilometer westlich von Berlin. Das Geoforschungszentrum Potsdam erprobt hier die Lagerung von Kohlendioxid in bis zu 700 Meter tiefen Sandsteinschichten. Das Salzwasser führende Gestein ist besonders aufnahmefähig für Gase. Zu DDR-Zeiten wurde es als Erdgas-Speicher genutzt. „Wir wollen untersuchen, wie sich das Treibhausgas im Boden verhält“, sagt Günter Borm vom Geoforschungszentrum.

Ersten Schätzungen zufolge kann die Lagerstätte den Kohlendioxid-Ausstoß aller deutschen Kraftwerke in den nächsten 100 Jahren aufnehmen. Eines Tages könnte sich sogar der Bau von Kohlendioxid-Pipelines lohnen: von den Kraftwerken bis zu den Lagerstätten. Der umständliche Transport per Lkw würde entfallen.

Einige Fragen sind allerdings noch offen: Gibt es chemische Reaktionen zwischen dem Kohlendioxid und den mineralischen Stoffen unter der Erde? Wie teuer wird die Lagerung? Und vor allem: Ist der Speicher wirklich dicht? Falls nicht, wäre das katastrophal für die Umgebung: Weil Kohlendioxid schwerer ist als Luft, würde es sich in Bodennähe sammeln. Es bestände Erstickungsgefahr. Bis es aussagekräftige Forschungsergebnisse gibt, wird noch einige Zeit vergehen.

Das Gleiche gilt auch für den Standort Schwarze Pumpe. Hier läuft die Ausschreibung für die Anlagentechnik. „Im März oder April werden wir den Bauantrag einreichen“, sagt Vattenfall-Manager Sauthoff.

Das Kraftwerk soll eine thermische Leistung von 30 Megawatt (MW) haben. Allerdings wird die der Einfachheit halber nicht zur Stromerzeugung genutzt. Schließlich soll zunächst nur die Technik des Oxyfuel-Verfahrens erprobt werden. „Das Einzige, was wir neben Kohlendioxid produzieren, ist Dampf, der im benachbarten Industriepark eingesetzt werden kann“, erklärt Sauthoff. Ein echtes Demonstrationskraftwerk mit 300 bis 600 MW elektrischer Leistung könne frühestens 2015 in Betrieb gehen. Mit einer kommerziellen Nutzung rechnet Sauthoff nicht vor dem Jahr 2020.

Doch es gibt auch Kritiker. „Mehr Braunkohle heißt automatisch auch mehr Tagebau“, sagt Gabriela von Goerne von der Organisation Greenpeace.

Aber Vattenfall lässt sich von seinen Plänen nicht abbringen. „Die Anlagentechnik für das Projekt kostet uns 40 Millionen Euro“, sagt Sauthoff. „Hinzu kommen 15 bis 20 Millionen für den Betrieb. Das gibt man nicht einfach zum Jux aus.“

Langfristig könnte das Geld sogar wieder reinkommen. Denn schon heute brauchen Unternehmen für jede Tonne Kohlendioxid ein Zertifikat. Je teurer das ist, desto eher lohnt sich die kohlendioxid-freie Braunkohleverstromung.

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