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Gesundheit: „Lehramtskram“

Kritik an neuer Ausbildung der Berliner Pädagogen: Politiker setzen die Unis unter Druck

Was läuft mit Berlins neuem Lehrerstudium falsch? Das wollten Berlins Abgeordnete am Mittwoch von den Universitäten wissen. Anlass war die heftige Kritik, die Studierende, mehrere Professoren und die GEW in den vergangen Wochen vorgebracht hatten (siehe auch Tagesspiegel vom 25. April). Die Anhörung, zu der die SPD und die Grünen eingeladen hatten, solle helfen, eine Zwischenbilanz zu ziehen, sagte Bert Flemming (SPD): Der Gesetzgeber wolle in Erfahrung bringen, ob die Vorgaben reichten, um für eine bessere Lehrerausbildung zu sorgen. Mittlerweile ist die erste Studierendenkohorte im neuen Studium im vierten Semester.

Das alte Lehrerstudium in Berlin produzierte 70 Prozent Abbrecher, jene die dabei blieben, erreichten im Schnitt nach 17 Semestern das Ziel, wenn sie in den Schuldienst eintraten, waren sie durchschnittlich 31 Jahre. Vor allem aber kamen die junge Lehrer schlecht vorbereitet in die Schulen. Der Anteil praktischer Übungen im Studium war viel zu klein, die Seminare in Erziehungswissenschaft und Psychologie zu theorielastig und abseitig. Mit der Reform sollte sich an den Missständen endlich etwas ändern, die Studierenden auf die immer größer werdenden pädagogischen Herausforderungen professionell vorbereitet werden.

Doch lebensnäher scheint das Studium seit der Reform, die im Dezember 2003 beschlossen wurde, nicht geworden zu sein: Stefan Günther, der sich als FU-Student für die „Initiative Lehramt“ engagiert, las per E-Mail eingegangene Beschwerden seiner Kommilitonen in Bachelorstudiengängen vor: So kritisiert eine Studentin die Kurse in Erziehungswissenschaft als „praxisfern und oberflächlich“. Eine Grundschulpädagogin fragt, warum sie an Mathematikkursen teilnehmen muss, die sich allein an Nachwuchswissenschaftlern ausrichten. Die Lehrer fühlten sich wie das fünfte Rad am Wagen behandelt und mit schlechten Noten bestraft. „Das alte Studium ist einfach in Bachelor und Master umgewandelt worden“, resümierte Stefan Günther.

Offenbar herrsche an den Unis auch jetzt noch das Prinzip „erst die Fachwissenschaften, dann der Lehramtskram“, sagte Lisa Paus (Grüne). Die Unis hätten den Bachelor für Lehrer gegen den Willen des Gesetzgebers „polyvalent“ konzipiert, also so, dass er nicht ausschließlich auf den Lehrerberuf vorbereite, sagte Erik Schmidt (FDP). Dadurch aber komme die Praxis jetzt zu kurz. Siglinde Schaub ( PDS) bezweifelte, ob das neue Studium den berechtigten hohen Ansprüchen der Gesellschaft genügen könne. Katrin Schultze-Berndt (CDU) fragte, ob es die Unis tatsächlich schaffen werden, jährlich 850 Lehramtsabsolventen auszubilden, wie sie es in den Hochschulverträgen versprechen mussten.

Wegen der vielen Anklagen und Fragen der Politiker hatten die Vizepräsidenten der vier Unis nicht viel Zeit, ihre Standpunkte zu erklären. FU-Vizepräsident Werner Väth sagte, das negative Bild der studentischen Lehramtsinitiative entspreche nicht der Wirklichkeit. Die Unis hätten bei der Aufgabe, in kurzer Zeit eine große Reform zustande zu bringen, „einen gelungenen Start“ zustande gebracht, selbst wenn noch nicht alle Anlaufschwierigkeiten beseitigt seien. Susanne Baer, Vizepräsidentin der Humboldt-Universität, sagte, angesichts ihrer knappen Mittel befänden sich viele Fächer bereits an der „unterkritischen Grenze“. Wenn die Politik mehr und anderes verlange, müsse sie auch für eine bessere Ausstattung sorgen.

Die Zahl von 850 Absolventen sei „erreichbar“, sagte Väth, „müsse vielleicht aber noch etwas gedrückt werden“. Jedenfalls sei deshalb für die ersten Generationen in jedem Fall gesichert, dass jeder Student nach dem Bachelor auch den Master machen könne. Flemming (SPD) hält einen hundertprozentigen Übergang der Lehramtsstudierenden zum Master ohnehin für eine Selbstverständlichkeit.

Nach Auskunft Flemmings will die Politik nun ein Jahr lang beobachten, ob sich die neuen Lehrerbildungszentren der Unis bewähren und ob doch noch ein neuer Geist einzieht. Andernfalls müssten die Lehrerzentren zu Fakultäten aufgewertet werden, um die Interessen der Studierenden mit Nachdruck vertreten zu können.

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