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Gesundheit: Lehrermangel: Positionen: Erst wird vorm Studium gewarnt, dann wird um Lehrer geworben

In bestimmten Fächern fehlen Pädagogen. Das gilt zur Zeit vor allem für einige naturwissenschaftliche Disziplinen.

In bestimmten Fächern fehlen Pädagogen. Das gilt zur Zeit vor allem für einige naturwissenschaftliche Disziplinen. Solche Feststellungen gibt es von Zeit zu Zeit. Wir erinnern uns aber auch an Warnungen, dass man als Physiker bald nur noch Tankwart werden könne. Eine neue Variante in diesem Dilemma ist durch die Initiativen zweier Länder eingetreten: Das Land Hessen versucht, Lehrer aus anderen Bundesländern anzuwerben, weil die Zahl der Absolventen der eigenen Hochschulen nicht ausreicht, den Bedarf zu decken; Baden-Württemberg will das Studium an den Pädagogischen Hochschulen attraktiver machen, weil es zu wenig Lehrer gibt.

Über lange Zeit hatten wir uns daran gewöhnt, dass über arbeitslose Lehrer berichtet wurde. Jetzt diese neuen Töne. So neu allerdings sind sie nicht. Bei Bedarf, der scheinbar überraschend eintritt, wird für das Studium von Lehramtsfächern geworben; tritt als Folge der Werbung der Erfolg ein, ist man darüber verwundert - wie in der Agrarpolitik bei dem Schweine- oder Butterberg. Die Berg- und Talfahrt ist deshalb nicht recht verständlich, weil der Staat als Monopolist bei der Einstellung doch eigentlich wissen sollte, wie viele Planstellen vorhanden sind und besetzt werden können. Im Übrigen weiss man mindestens sechs Jahre im Voraus, wieviel Kinder eingeschult werden und welche Weichenstellungen nach weiteren vier, sechs usw. Jahren sich ergeben können. Dennoch immer das gleiche Theater.

Neben einer ständigen Fortschreibung der Entwicklung der Zahlen, die eine Selbstverständlichkeit sein sollte, gibt es ein strukturelles Problem der Lehrerausbildung. Studierende des Lehrfachs werden nur für den Lehrerberuf ausgebildet. Sie sind, wenn sie das Studium beendet haben, auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, eine Stelle als Referendar und später als Lehrer zu bekommen. Gelingt ihnen das nicht, gelten sie als gescheitert. Anders wäre es, wenn die Entscheidung, ob jemand in den Schuldienst gehen möchte, nicht vor Beginn des Studiums getroffen werden muss, sondern erst nach dessen Abschluss. Dies allerdings setzt voraus, dass nicht eine Fächerkombination, wie sie in der Schule üblich ist, gewählt werden muss, sondern ein Fach studiert wird (zum Beispiel nicht Deutsch und Geschichte, sondern Deutsch oder Geschichte). Solche Vorschläge führen regelmäßig zu einem Aufschrei von Lehrerverbänden, Philologen-Verband und Gewerkschaften: Die Pädagogik komme zu kurz, der "Ein-Fach-Lehrer" gebe in der Regel zu wenig Stunden in einer Klasse, um Klassenlehrer sein zu können, bei kleineren Schulen könne er gar nicht das volle Deputat erbringen.

In vielen Fällen wird sich das Problem des zweiten Fachs lösen lassen. Haben Kandidaten eine Magister-Kombination gewählt, gibt es keine Probleme. Im anderen Fall versteht der Physiker sicher so viel von Mathematik, dass er dieses Fach in der Unterstufe unterrichten kann. Und warum soll die Pädagogik nicht während der Referendarzeit erworben werden? Wenn man jetzt versucht, auch "Berufsfremde", also solche Personen zu gewinnen, die bisher in ganz anderen Bereichen tätig waren, ist dies doch das Eingeständnis, dass es durchaus geht. Wenn man sich von dem überkommenen Lehrer-Ausbildungssystem trennen könnte, hätte dies unter anderem den Vorteil, dass den nicht übernommenen Bewerbern der Makel erspart bliebe, sie wollten ja eigentlich in das Lehrfach. Mancher, dessen Eignung oder Neigung zum Lehrerberuf sich während des Studiums und erster praktischer Erfahrungen nicht eingestellt hat, könnte ohne Gesichtsverlust etwas anderes beginnen. Für den Staat wäre die politisch stets brisante Situation vermieden, dass arbeitslose Kandidaten Druck erzeugen. Denn wegen des Einstellungsmonopols des Staates ist dessen Verantwortung größer als in Fällen sonstiger Arbeitslosigkeit.

Solange das Problem der einseitigen Orientierung der Lehrerausbildung nicht gelöst wird, bleibt es dabei: In Abständen von vier bis sechs Jahren wird erst gewarnt, dann geworben, dann wieder gewarnt. Wiedervorlage des Themas: spätestens 2005.

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