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Gesundheit: Mathematik für Börsen und Kliniken

Von Paul Janositz „Ohne Mathematik tappt man doch immer im Dunkeln", schrieb der Berliner Student Werner Siemens an seinen Bruder. Dieses etwa 150 Jahre alte Zitat stellten Berliner Mathematiker an den Kopf ihrer Bewerbung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Von Paul Janositz

„Ohne Mathematik tappt man doch immer im Dunkeln", schrieb der Berliner Student Werner Siemens an seinen Bruder. Dieses etwa 150 Jahre alte Zitat stellten Berliner Mathematiker an den Kopf ihrer Bewerbung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Es ging um den Standort des neuen DFG-Forschungszentrums „Mathematik für Schlüsseltechnologien", es ging um eine Förderung von jährlich fünf Millionen Euro, zunächst für vier, eventuell für zwölf Jahre. 15 Bewerber gab es insgesamt, und dass Berlin jetzt – wie gemeldet – den Zuschlag bekam, mag angesichts der drastischen Sparmaßnahmen des Senats im Wissenschaftsbereich überraschen.

Gar nicht erstaunt über den Erfolg ist Kurt Kutzler, Mathematiker und amtierender Präsident der TU Berlin, an der das Zentrum angesiedelt wird. Die fünf Initiatoren hätten einfach das beste Projekt vorgelegt. Die drei Berliner Universitäten sowie das Konrad-Zuse-Zentrum (ZIB) und das Weierstraß-Institut kooperierten bereits seit Jahren über Grenzen von Fächern und Institutionen hinweg. Mit gezielten Berufungen von jungen und teamfreudigen Professoren wurde die anwendungsorienterte Forschung gestärkt. Kutzler nennt Martin Grötschel, gleichzeitig tätig an TU und ZIB, als treibende Kraft oder Günter Ziegler, den Leibniz-Preisträger von 2001, als jungen, kreativen Kopf.

Eine zündende Idee war es wohl auch, sich auf „Schlüsseltechnologien" zu konzentrieren. „Die Rolle der Mathematik ist oft verborgen", sagt Konrad Polthier, Wissenschaftler an der TU. „Raus aus dem Versteck, rauf auf die Leuchtürme", so kennzeichnet Peter Deuflhard, Präsident des ZIB und Hochschullehrer an der FU Berlin, das Motto.

Als lebensnahe Aufgaben, denen sich die FU-Mathematiker stellen, nennt Deuflhard die Kooperation mit dem Virchow-Klinikum und der Robert-Rössle-Klinik in Buch. Dabei geht es um Wärmebehandlung zur Therapie nicht operierbarer Tumoren. Krebszellen sollen durch gezielte starke Erwärmung absterben, das umliegende gesunde Gewebe soll jedoch möglichst wenig geschädigt werden. Für exakte Planung und Steuerung der Therapie sorgt die Mathematik.

Auch fürs Funktionieren der Handys ist Rechenkunst notwendig. Schließlich muss beim Einschalten eines Gerätes auch eine Frequenz verfügbar sein, um überhaupt telefonieren zu können. Die Kapazität von Antennen mit Handys zu koordinieren, ist ein „komplexes Problem der diskreten Optimierung", sagt Deuflhard, dessen sich die Arbeitsgruppe um Grötschel an der TU angenommen habe.

An der Humboldt-Universität stehen Finanzprobleme im Vordergrund. Allerdings handelt es sich nicht um die üblichen Einsparungen, sondern um die Frage, wie die Abläufe rund um die Börse abgewickelt werden können. Eine 1997 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Theorie, die „Black-Scholes-Formel", hat Deuflhard zufolge versagt und fast zum Zusammenbruch einer Großbank geführt. Die HU-Mathematiker verfeinern die Theorie durch das Heranziehen von „Mikrostrukturen", die das reale Geschehen um Aktien und Optionen besser abbilden können.

Auch bei der Entwicklung von Arzneimitteln haben mathematische Methoden ihren Wert. So machen sie es möglich, die Funktion von Molekülen am Wirkort zu simulieren. Um größere Einheiten geht es bei einem Projekt, das sich mit der Deregulierung des Schienennetzes der Deutschen Bahn beschäftigt. Die Fragen, wie das Netz aufgeteilt werden, ob es vielleicht nur zeitweise Nutzungsrechte geben soll, sind komplexe mathematische Probleme. Zudem müssen nicht nur technische und wirtschaftliche, sondern auch ökologische und politische Aspekte bedacht werden.

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