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Medizin: Gefährliche Nebenwirkungen

Der ARD-Zweiteiler über den Contergan-Skandal erregt große Aufmerksamkeit, dem Schicksal zehntausender Nebenwirkungs-Geschädigter wird jedoch kaum Beachtung geschenkt.

Dabei kommen regelmäßig Fälle mit Blaulicht in die Notaufnahme, später sterben sogar viele auf der Intensivstation. Viele Krankheiten entstehen erst durch die Einnahme von Medikamenten. Kliniken wie in Greifswald, Jena, Rostock und Weimar untersuchen daher jeden neu eingelieferten Patienten auf Arzneimittel als Krankheitsursache.

Fünf Prozent aller Aufnahmen in innere Abteilungen gehen auf Nebenwirkungen zurück - das sind rund 300.000 Fälle im Jahr. Der Bremer Gesundheitsforschers Gerd Glaeske schätzt sogar, dass jährlich 16.000 bis 25.000 Menschen durch Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten sterben. Erscheckende Zahlen. "Mit jeder Pille, die man nimmt, kann man sich neue Nebenwirkungen einhandeln", sagt die Wuppertaler Pharmakologin Petra Thürmann.

Zwei Drittel aller Klinikpatienten, die mit Schmerzmitteln behandelt werden, bekommen Magenblutungen und -geschwüre, zu starke Unterzuckerung durch Medikamente gegen Diabetes oder teils schwere Schäden durch Herz-Kreislauf-Mittel.

Bessere Betreuung für Ärzte

"Die Hälfte aller Fälle schwerer Nebenwirkungen könnte man verhindern", sagt Glaeske. Ärzte und Apotheker müssten sich jedoch besser abstimmen und sorgfältiger bei der Verschreibung sein. Gerade bei ältern Menschen sei Sorgfalt geboten, denn bei ihnen steigen die Risiken erheblich an. An dieser Stelle sind die medizinischen Fachgesellschaften gefordert. Sie müssten Ärzte besser informieren, damit diese wiederum entsprechend reagieren können, wenn beispielsweise Patienten über 70 zu hohe Cholesterinwerte, hohen Blutdruck und Alzheimer gleichzeitig haben. 574 Millionen Verordnungen gab es allein im vergangenen Jahr, 2734 Arzneimittel und 27 Wirkstoffe wurden neu zugelassen. Da fällt Praxisärzten der Überblick nicht leicht.

Appell an Pharmaindustrie

Die Pharmaindustrie arbeite "sehr selektiv" und suche etwa für ihre Studien nur Teilnehmer aus, die möglichst nicht älter als 40 Jahre und männlich seien. Gesundheitsforscher fordern vom Hersteller unabhängige Studien. Außerdem müssten die Nebenwirkungen nach der Marktzulassung besser erforscht werden. So wurden zum Beispiel der Blutfettsenker Lipobay oder das Rheumamittel Vioxx erst nach dem Bekanntwerden von Nebenwirkungen vom Markt genommen. (mit dpa)

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