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MEDIZIN Männer: „Er macht neu Nas’ und Ohren“

Über den plastischen Chirurgen Friedrich Dieffenbach

Der Krieg ist aller Dinge Vater“, und der von Johann Friedrich Dieffenbach ist bereits so früh gestorben, dass der junge Mann Ersatz braucht. Vielleicht geht ihm deshalb Heraklits Satz durch den Kopf, als er sich 1813 freiwillig bei den berittenen Jägern meldet. Das Theologiestudium in Rostock hat er mehr aus Pflichtgefühl der Mutter gegenüber begonnen. Als die Befreiungskriege gegen Napoleon losbrechen, wittert der 24-Jährige Morgenluft. Der Aufbruch nach Frankreich wird zum Wendepunkt: Als Dieffenbach drei Jahre später zurückkehrt, weiß er, dass er etwas gegen die Leiden der entstellten Soldaten unternehmen will, und studiert Medizin in Königsberg. Bei handfesten Dingen, besonders bei Transplantationen, zeigt er außergewöhnliches Talent. Tests an Hühnern folgen Haarverpflanzungen, die er an sich selbst ausprobiert. Es läuft gut für Dieffenbach, und vielleicht hätte er Ostpreußens Hauptstadt nie verlassen, hätte man nicht die Burschenschaften geächtet und er dadurch alle staatlichen Stipendien verloren. Deshalb der Umzug nach Bonn 1820, da lebt die Schwester. Kurz darauf, als die Griechen gegen die türkische Herrschaft aufbegehren, will Dieffenbach am „Freiheitskampf“ teilnehmen. Johanna Motherby, Gattin des gleichnamigen Dichters und mittlerweile Geliebte Dieffenbachs, beendet seinen Krieg durch einen Brief. Er kehrt kampflos zurück.

1823 kommt er frisch promoviert nach Berlin, eröffnet eine Praxis in der Jägerstraße und operiert drauflos, teils auch ohne Bezahlung. Seine Geschicklichkeit hat sich herumgesprochen – sein ungestümes Wesen auch. Dieffenbach ist kein distinguierter Akademiker. Dass er 1832 dennoch an die Charité berufen wird, liegt an den ausgezeichneten Kontakten von Johanna Motherby, die er nach ihrer Scheidung heiratet, und seinen Erfolgen als genialer Handwerker: Er verbessert die uralte indische Methode der Rhinoplastik zur „Wiederherstellung der eingefallenen Nase“. Die unterentwickelte plastische Chirurgie steht im deutschen Raum unter dem Verdacht, eine ars decoratoria, also keine „echte“ Medizin zu sein. Aber Dieffenbach geht es ums Heilen: den Menschen zurückgeben, was kaputt gegangen ist. Mit dem Werk „Chirurgische Erfahrungen“ gibt er der Medizin eine Einführung in die Nasen-, Lippen- und Kieferchirurgie. Später kommen die Etablierung der Ätherbetäubung und die Behandlung des Klumpfußes hinzu. 400 gelungene Operationen und kein Todesfall in drei Jahren machen ihn auf Berlins Straßen berühmt: „Wer kennt nicht Doktor Dieffenbach / den Doktor der Doktoren? / Er schneidet Arm und Beine ab / und macht neu Nas’ und Ohren.“ 1847 stirbt Dieffenbach, während er im voll besetzten Hörsaal operiert, an einem Schlaganfall.

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