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MEDIZIN Männer: Sogar den Sultan hat er behandelt

JAMES ISRAEL Stunde um Stunde muss der 69-jährige James Israel wie eingefroren auf diesem Stuhl sitzen, die Beine übereinandergeschlagen, und dabei versuchen, würdig dreinzuschauen. Wenn er sich auch nur ein wenig bewegt, schnaubt Max Liebermann laut durch die Nase und Israel erstarrt wieder.

JAMES ISRAEL

Stunde um Stunde muss der 69-jährige James Israel wie eingefroren auf diesem Stuhl sitzen, die Beine übereinandergeschlagen, und dabei versuchen, würdig dreinzuschauen. Wenn er sich auch nur ein wenig bewegt, schnaubt Max Liebermann laut durch die Nase und Israel erstarrt wieder. Als Modell muss Israel in sich hineinhorchen, was ihm sonst fremd ist: Er hört den Herzschlag und spürt, wenn auch nur ganz leicht, das Ziehen des Magengeschwürs, das ihn beinahe seine ganze Arztkarriere hindurch begleitet hat.

Für alles, was um ihn herum geschieht, ist Israel dagegen äußerst empfänglich. Das zeigt sich in der Urologie, ein ziemlich vernachlässigtes Gebiet in der Medizin und Domäne jüdischer Ärzte. Israel nähert sich ihr als Chirurg, Geschlechtskrankheiten bleiben außen vor, was es der Ärzteschaft anderer Fachrichtungen leichter macht, seinem Schaffen Respekt zu zollen. Um 1900 gilt er als einer der wichtigsten Nierenchirurgen weltweit. Sogar Sultan Mehmed V. bestellt ihn in die Türkei, weil er nur ihm die Entfernung seiner Blasensteine zutraut. Israel setzt sein Wissen aber auch in anderen Bereichen ein. Ein Bakterium trägt seinen Namen. Im Ersten Weltkrieg entwickelt er den Lazarettzug „Victoria Luise“, eine Art rollendes Krankenhaus auf Schienen. In der plastischen Chirurgie ist bereits bekannt, dass man, um angeborene Löcher in der Wange zu überdecken, Haut aus anderen Regionen transplantieren kann. Sie zieht sich aber meist zusammen, wird hart und vernarbt so stark, dass die Patienten anschließend Mühe haben, den Mund zu öffnen. Israel stellt den Lehrsatz auf: „Ein jeder Ersatzlappen muss also, wenn er ordentlich functionieren soll, an beiden Seiten mit Epidermis (Schleimhaut) bedeckt sein.“ Weil er Verfechter der Antisepsis ist, überlebt ein Großteil der Patienten seine Eingriffe.

Anfang der 1890er bietet man ihm einen Lehrstuhl an der Berliner Universität an – unter der Bedingung, sich taufen zu lassen. Israel lehnt ab, aus Prinzip. Außerdem ist er seit 1880 Leiter der Chirurgie am Jüdischen Krankenhaus. Das Haus setzt sowohl beim Personal mit Ärzten wie Bernhard von Langenbeck als auch bei der Ausstattung Maßstäbe: Fließend kaltes und warmes Wasser in den Zimmern, modernste Kachelöfen und – der letzte Schrei– eine Belüftung mit Ventilatoren. Als Israel seinen Posten aufgibt, bittet ihn das Krankenhaus um ein Porträt. Israel hat die Liebermanns mehrfach behandelt, ist mit Max, einem der bedeutendsten Maler des deutschen Impressionismus, gut befreundet. Als das Gemälde fertig ist, kann sich der Porträtierte nicht von ihm trennen. Erst nach seinem Tod 1926 wird es der jüdischen Gemeinde übergeben. Heute hängt es im Jüdischen Museum.

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