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Gesundheit: Mühsamer Weg zur Kernfusion

In Frankreich oder Japan soll der erste große Forschungsreaktor gebaut werden – die Entscheidung fällt am Sonnabend

Energie steht uns fast im Überfluss zur Verfügung. Doch darüber vergessen wir, dass die künftige Versorgung noch ungeklärt ist. Fossile Brennstoffe gehen irgendwann zur Neige, erneuerbare Energiequellen können nur einen kleinen Teil des Bedarfs decken, und heutige Kernreaktoren sind umstritten, zudem erzeugen sie Jahrtausende lang strahlenden Atommüll. Daher versuchen Forscher schon seit langem, die Kernfusion – die kontrollierte Verschmelzung von Atomkernen – zur Energieerzeugung zu nutzen. Sie ist sicherer, abfallärmer und bringt eine viermal so hohe Ausbeute wie die Kernspaltung. Ein Gramm Wasserstoff setzt etwa soviel Energie frei, wie bei der Verbrennung von 9000 Litern Erdöl oder elf Tonnen Kohle entsteht.

Aber die Fusion braucht Zeit: Die ersten Pläne tauchten schon vor 50 Jahren auf, und noch heute ist man geschätzte 50 Jahre von der kommerziellen Nutzung der Kernfusion entfernt. Aber immerhin: Nach fast 20-jähriger Planungsphase wird am Sonnabend entschieden, wo der internationale Testreaktor („Iter“) gebaut wird. Er soll der letzte experimentelle Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk sein.

In dem Reaktor wird ein Wasserstoff-Plasma erstmals mehrere Minuten lang „brennen“ und eine thermische Leistung von 500 Megawatt liefern, so viel wie ein Kohlekraftwerk. Das Projekt begann 1985 mit dem Vorschlag der Sowjetunion, zusammen mit der EU, Japan und den USA einen Testreaktor zu entwickeln. Bald schlossen sich weitere Länder an, so dass nun Europa, Kanada, Japan, die USA, Russland, China und Südkorea daran arbeiten. Um den Standort bewerben sich Frankreich (für die EU), Japan und Kanada. Bis vor kurzem waren auch die Spanier interessiert. Sie erhöhten ihren Beitrag sogar von 450 auf 900 Millionen Euro – doch der europäische Ministerrat entschied sich für Frankreich und beendete eine lange Debatte. Deutschland hatte sich nicht beworben, allein Greifswald war kurz im Gespräch. Aber die Bundesregierung lehnte die Idee ab.

Da Kanada kaum Geld einbringen will, bleiben Frankreich und Japan übrig. Beide kämpfen derzeit erbittert darum, schließlich bringt das rund fünf Milliarden Euro teure Projekt Fördermittel sowie Tausende Arbeitsplätze in die Region. „Die Kernfusionsforscher sehen in Europa die besseren Voraussetzungen. In Frankreich gibt es schon ein Kernfusions-Forschungszentrum“, sagt Karl Lackner, Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching,

Bei der Kernfusion verschmelzen leichte Atomkerne zu schwereren, wobei Energie freigesetzt wird – ein Prozess, der im Inneren der Sonne auf natürliche Weise stattfindet. Iter soll die beiden Wasserstoffarten (Isotope) Deuterium und Tritium fusionieren. Dabei entstehen ein Heliumkern, ein Neutron und viel Energie. Hierfür jedoch müssen die Wasserstoffteilchen bei hohen Temperaturen oft und heftig genug zusammenstoßen. Mindestens 100 Millionen Grad Celsius sind zum Zünden des Feuers erforderlich.

Bei dieser Hitze gibt es keine Wasserstoffatome mehr. Sie haben sich in ihre elektrisch geladenen Bestandteile, in Elektronen und Atomkerne, getrennt: Sie sind zu einem Plasma geworden. Und das darf im Reaktor nicht in Kontakt mit der Wand kommen, sonst würde es sich sofort unter die Zündtemperatur abkühlen. Um das Plasma von der Wand fernzuhalten, wird ein „Magnetfeld-Käfig“ errichtet („Tokamak“-Prinzip).

Diese Magnetfelder werden teils durch stromdurchflossene Spulen erzeugt, teils durch einen elektrischen Strom, den man durch das Plasma schickt. In dem kombinierten Magnetfeld laufen die Feldlinien schraubenförmig im Kreis. Das kann man sich wie ein Bündel Drähte vorstellen, das verdrillt und dann zu einem Reifen gebogen wird.

In diesem Ring rasen die Plasmateilchen umher, kollidieren miteinander und verschmelzen. Damit das Fusionsfeuer nicht ausgeht, muss das Plasma beständig beheizt werden, was viel Energie kostet. Iter soll aber erstmals mehr Energie erzeugen als verbrauchen – fünf bis zehn Mal so viel.

Lernen wollen die Forscher daran, wie sich das Plasma verhält und wie sich der Reaktorkern verändert. Denn während des Fusionsfeuers wird das Material beständig von Neutronen beschossen. Dadurch wird es radioaktiv – allerdings klingt diese induzierte Radioaktivität relativ schnell wieder ab.

Um eine spätere Demontage und Endlagerung des Reaktors zu vereinfachen, müssen solche Materialien gewählt werden, die sich von den Neutronen möglichst kaum aktivieren lassen. Das gilt auch für die supraleitenden Magnetspulen, die in dieser Größe bislang noch nie gebaut wurden.

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