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Gesundheit: Neues Prüfzeichen erst auf wenigen Lebensmitteln

"Vorsicht, Halle für Bioprodukte! Hier könnte Sie beim Einkauf jemand aufklären wollen!

"Vorsicht, Halle für Bioprodukte! Hier könnte Sie beim Einkauf jemand aufklären wollen!" Ein entsprechendes Schild ist zwar am Eingang der Halle 1 auf der Grünen Woche nicht zu finden. Doch auch ohne eine solche Vorwarnung übertreten nur wenige Messebesucher die ökologische Hemmschwelle. Und so ist Halle 1 auf dem ganzen Messegelände der einzige Ort der Ruhe, wo man unbedrängt, unbeschallt und unaufgeklärt ein Märkisches Landbrot kaufen, gebratene Pilze essen und ein naturtrübes, bei Vollmond gebrautes Biobier trinken kann.

Die Grüne Woche ist ein Spiegel der Marktsituation. Der große Run auf Bioprodukte ist in Deutschland auch im Vorjahr ausgeblieben. Die Branche wächst langsam. Nach Informationen der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle beschränkt sich der ökologische Anbau auf 2,4 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Allerdings steigt die Nachfrage der Verbraucher nach ökologisch erzeugtem Fleisch so stark, dass derzeit neue umstellungswillige Erzeuger gesucht werden, um den Bedarf zu decken.

Wer Produkte aus ökologischem Anbau kauft, muss freilich ein bisschen tiefer in die Tasche greifen. Er muss sich aber auch in einem Wust aus ökologischen Standards, Gütesiegeln und Markennamen zurechtfinden, der selbst Fachleuten Kopfschmerzen bereitet: hier "Bioland", da "Biopark", dort "Naturkind", drüben "Naturzeit" und "Naturland". Und gehört "Naturkost Grünes Land" auch dazu?

Die vielen Hinweise und Zeichen, die auf den Produkten zu finden sind, machen skeptisch. Ist da, wo "öko" drauf steht auch "öko" drin? Zwar hatten die ökologischen Anbauverbände bereits auf der Grünen Woche vor einem Jahr die Einführung eines einheitlichen Ökoprüfzeichens angekündigt. Das jedoch hat lange auf sich warten lassen und ist erst jetzt auf Bioprodukten in den Regalen der Läden zu finden - bislang aber nur auf einigen wenigen: etwa auf "Mestemachers" verpacktem Vollkornbrot oder auf Rind- und Schweinefleisch von "Bio Fleisch Nord-Ost".

Das Prüfzeichen wird auf Grundlage der EU-Bio-Verordnung und der Rahmenrichtlinien der "Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau" vergeben, zu der sich die großen Anbauverbände in Deutschland 1988 zusammengeschlossen haben. Die EU-Verordnung schützt Bezeichnungen wie "aus ökologischem Anbau". Sie gibt Mindestanforderungen für die Produktion, die Verarbeitung und die Kontrolle biologischer Lebensmittel vor. Allerdings gilt sie nur für pflanzliche Produkte, was die Anbauverbände dazu veranlasste, eigene Richtlinien zur ökologischen Tierhaltung zu erstellen.

Ökobauern verpflichtet diese Richtlinie dazu, den Tierbestand und die Ackerfläche so aufeinander abzustimmen, dass möglichst ein geschlossener Hofkreislauf entsteht: Die angebauten Pflanzen müssen ausreichen, die Tiere zu ernähren, mit deren Gülle dann wiederum die Felder gedüngt werden. Wer Lebensmittel kauft, die mit dem Ökoprüfzeichen versehen sind, kann daher sicher sein, dass bei der Produktion keine chemisch-synthetischen Dünge- oder Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden, dass die Tiere artgerecht gehalten wurden und ausreichend Auslauf hatten.

Fleisch aus ökologischer Tierhaltung habe denn auch eine bessere Qualität, sagt Stefanie Ludes, Ernährungsreferentin bei der Verbraucher Initiative. Da Antibiotika und wachstumsfördernde Futterzusätze verboten sind, gebe es keine entsprechenden Rückstände im Fleisch. Und weil die Mast der Tiere beim Ökobauern länger dauere, sei das Fleisch durchwachsener und habe einen besseren Geschmack.

Für den Kunden sollten solche Qualitätsmerkmale künftig auch besser erkennbar sein. "Er sollte nicht durch zu viele Kennzeichnungen irritiert werden", sagt Stefanie Ludes. Die großen Anbauverbände einigten sich also auf die Einführung eines einheitlichen Ökoprüfzeichens. Seit Ende letzten Jahres gibt es die ersten Lizenznehmer. Doch ob sich das neue Ökoprüfzeichen durchsetzen und den Bioprodukten möglicherweise auch den Zugang zu den Supermärkten vereinfachen wird, bleibt ungewiss. Denn etliche Gütesiegel und Markennamen sind auf dem Markt so etabliert, dass die Hersteller nicht ohne weiteres umstellen möchten. Viele Firmen halten sich noch zurück. Kleinen Verbänden, die die Produkte direkt auf dem Hof verkaufen, scheint das Zeichen ohnehin wenig attraktiv.

Demeter, dem ältesten ökologischen Anbauverband hierzulande, zielt das Ökoprüfzeichen dagegen zu sehr auf den Lebensmittel-Einzelhandel ab. "Wir wollen unseren Kunden eine gute Beratung angedeihen lassen", sagt Simon Ziegler, Geschäftsführer der Demeter-Erzeugergemeinschaft Berlin-Brandenburg. Daher wolle man sich weiter an den Naturkost- und Fleischkostfachhandel halten. Außerdem gingen die Grundprinzipien von Demeter über die des ökologischen Landbaus hinaus.

Der Wald der Ökosiegel wird sich also mit Einführung des Ökoprüfzeichens keineswegs so schnell lichten, wie manch ein Kunde sich wünschen mag. Und so wird manch einer auch künftig nur dann nach Biolebensmitteln suchen, wenn es um Babynahrung und die Gesundheit der Kinder geht.

tdp

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