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Gesundheit: Nicht alle Menschen sind fit genug, eine Flugreise anzutreten

Der Passagier in der zweiten Reihe fasst sich an die Brust, reißt sein Hemd auf und klagt über Schmerzen in der Brust. Seine Sitznachbarn sind hilflos, ein zufällig an Bord anwesender Arzt diagnostiziert: möglicherweise Herzinfarkt.

Der Passagier in der zweiten Reihe fasst sich an die Brust, reißt sein Hemd auf und klagt über Schmerzen in der Brust. Seine Sitznachbarn sind hilflos, ein zufällig an Bord anwesender Arzt diagnostiziert: möglicherweise Herzinfarkt. Der Pilot nimmt den kürzesten Weg zum nächsten Flughafen. Mit viel Glück kann dem Mann geholfen werden. Jahr für Jahr gehen Passagiere in die Luft, die besser keine Reise im Flugzeug antreten sollten.

Menschen mit massiven Herz- und Lungenproblemen und Reisende, die erst vor kurzem zum Beispiel eine schwere Operation über sich ergehen lassen mussten. Allein an Bord von Lufthansa-Maschinen kam es im vergangenen Jahr weltweit zu rund 50 lebensbedrohlichen Krankheitsfällen, die 37 Zwischenlandungen notwendig machten, wie der Leiter des Medizinischen Dienstes der Airline, Lutz Bergau, berichtet. Etwa 3000 Mal mussten sich die Flugbegleiter um leichtere Notfälle kümmern.

Immer mehr Fluggesellschaften reagieren auf diese Vorfälle mit der Einrichtung von Satellitenverbindungen zu Notärzten und der Ausrüstung der Flieger mit Elektroschock- und Herzüberwachungsgeräten. "Die meisten Gesundheitsstörungen treten auf, weil die Menschen vor einer Flugreise ihre Erkrankungen nicht mit einem Arzt durchsprechen", beklagt Mediziner Bergau. Dabei könnten viele Notfälle schlicht vermieden werden, wenn die Passagiere einfache Regeln beachteten.

Das Druckgefühl in den Ohren bei der Start- und Landephase kann nach Auskunft von Medizinern durch Kauen von Kaugummis sowie häufiges Schlucken und Gähnen ausgeglichen werden. Wer eine akute Erkältung hat, muss damit rechnen, dass Hohlräume im Nasen-Ohren-Bereich so anschwellen und sich verschließen, dass im Extremfall das Trommelfell platzen kann. Fachmann Bergau rät dazu, bei Erkältungssymptomen abschwellendes Nasenspray zu benutzen.

Die Gretchenfrage bei chronisch Kranken ist nach den Worten Bergaus: "Ist es dem betreffenden Mensch zuzumuten, dass er in 20 Minuten in eine Höhe von 2400 Metern geschossen wird?" Denn genau das passiere bei einem durchschnittlichen Flug. Reisende mit Bronchitis und Asthma müssten wissen, dass der geringe Luftdruck zu einer Abnahme des Sauerstoffs in der Lunge und auch im Blut führe.

Patienten, die gar ein eigenes Sauerstoffgerät benötigen, sollten vor einem Flug die Airline verständigen. Die Mitnahme des Geräts an Bord sei gesetzlich verboten, doch eventuell könne die Fluglinie medizinischen Sauerstoff für den Passagier an Bord bereithalten. In jeder Maschine gebe es zwar Sauerstofffläschchen vor den Türen, diese reichten jedoch nur für 15 Minuten Atmung aus.

Wer sich einem chirurgischen Eingriff im Bauchraum unterziehen musste, soll nach Auskunft des Mediziners mindestens sechs Wochen vor der nächsten Flugreise warten. Eine noch längere "Flugabstinenz" erforderten Operationen der Schädelhöhle; in diesem Fall solle man mindestens sechs Monate nicht in die Luft gehen. Nach Lungen- und anderen Brustoperationen solle mit einer ärztlichen Untersuchung ausgeschlossen werden, dass ein sogenannter Pneumothorax bestehe. So nennen Mediziner die Ablösung des Lungengewebes vom Brustfell. Schon kleinste Ablösungen könnten sich durch den Kabinendruck deutlich vergrößern und eine akut lebensbedrohliche Situation hervorrufen.

Inzwischen sind alle Lufthansa-Langstreckenflugzeuge mit einem Elektroschockgerät, einem sogenannten Defibrillator, ausgerüstet. Er kann nach Auskunft der Fluglinie mit einem kurzen, hohen Stromimpuls eine sonst sicher zum Tod führende Herzrhythmusstörung beseitigen. Ist ein Arzt an Bord anwesend, kann er mit Hilfe des Geräts auch einen möglichen Herzinfarkt diagnostizieren und entsprechende Hilfe einleiten.

British Airways hat die Defibrillatoren schon seit Ende 1998 in den Kabinen. Bei Notfällen an Bord können die Piloten über Satellit Verbindung zum MedAire Kontrollzentrum in Phönix im US-Bundesstaat Arizona Kontakt aufnehmen. Dort sind 16 Ärzte rund um die Uhr im Einsatz, stellen eine Ferndiagnose und verordnen eine erste Therapie. Sie entscheiden auch, ob eine sofortige Landung des Flugzeugs notwendig ist.

Stefanie Kreiss

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