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Gesundheit: Nicht Fisch, nicht Fleisch

Von Rolf Degen Vorbei sind die Zeiten, da man sich durch das Bekenntnis zum Vegetarismus den Ruf als Spinner zuzog. Tatsache ist zum Beispiel, dass der Fleischverzicht nachweisbar Vorzüge für die körperliche Gesundheit hat.

Von Rolf Degen

Vorbei sind die Zeiten, da man sich durch das Bekenntnis zum Vegetarismus den Ruf als Spinner zuzog. Tatsache ist zum Beispiel, dass der Fleischverzicht nachweisbar Vorzüge für die körperliche Gesundheit hat.

Anders aber sieht es bei der psychischen Verfassung aus: Zumindest die weiblichen Vegetarier stechen durch eine bedrücktere Stimmungslage und eine negativere Sicht der Welt hervor.

Während sich vor 20 Jahren nur 0,6 Prozent der Deutschen als Vegetarier bezeichneten, lehnen heute nach Schätzung des Vegetarierbundes sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung die tierische Nahrung ab. Es gibt mehrere neue Studien, die den Fleischverächtern einen besseren Gesundheitszustand bescheinigen: Sie weisen einen niedrigeren Blutdruck, günstigere Blutfettwerte und eine rundum gesündere Lebensführung auf. Ihre Sterberate an koronaren Herzerkrankungen liegt um 24 Prozent unter der Rate derer, die Fleisch verzehren.

Das Bild wird durch ein paar störende Schönheitsfehler getrübt, gibt die Psychologin Marjaana Lindeman von der finnischen Universität Helsinki zu bedenken. So sind vegetarische Frauen nach dem Ergebnis einiger Studien übermäßig um ihre schlanke Linie besorgt. Die Häufigkeit von Essstörungen wie Anorexia nervosa liegt deutlich über dem Durchschnittswert. Um die psychische Seite des Vegetarismus genauer auszuloten, hat die Psychologin zwei Studien an über 500 Frauen zwischen 13 und 74 durchgeführt. 60 der Befragten waren Vegetarierinnen, 130 wiesen sich durch den Verzicht auf rotes Fleisch als „Halb-Vegetarierinnen“ aus.

Wie die Ergebnisse zeigten, legten die Vegetarierinnen und mit Abstrichen die Halb-Vegetariern mehr Zeichen einer depressiven Gemütsverfassung an den Tag. Diese Neigung machte sich unter anderm durch Gefühle der Niedergeschlagenheit und Einsamkeit und durch einen beeinträchtigten Schlaf bemerkbar. Auch das Selbstwertgefühl war messbar angeschlagen. Und auch mit einer erhöhten Anfälligkeit für Essstörungen ragten die Vegetarierinnen aus der Masse heraus.

Bei den Frauen, die die tierische Kost ablehnten, hatte das ganze Bild der Welt einen Schlag ins Negative: Sie lasen in den Lauf der Dinge insgesamt mehr Übel und Bösartigkeit hinein, hielten das Schicksal für weniger kontrollierbar und unterstellten der Welt und den Menschen ein höheres Maß an Ungerechtigkeit.

Die vorliegenden Daten geben allerdings keinen Aufschluss über die Richtung der Ursache-Wirkungs-Kette, sagt die Psychologin: Fühlen sich bedrückte Zeitgenossen zum Vegetarismus hingezogen, oder ist da irgend etwas an der fleischlosen Ernährung, dass die gute Laune untergräbt?

Manche Psychologen vermuten, dass Menschen bestimmten Ideologien deshalb verfallen, weil diese einen Schutzwall gegen die Einsicht in die Endlichkeit und den existenzialistischen „Horror“ des Lebens errichten. Um das Leben nicht als einen gnadenlosen Moloch zu erfahren, der alles Wertvolle in den Schmutz zieht, schafft der Mensch sich ein Selbstwertgefühl durch die Bindung an kulturelle Weltanschauungen. Sie gewährleisten eine stabile und sinnhafte Konzeption des Universums, soziale Rollen mit spezifischen Anleitungen für Handlungen, die als wertvoll erachtet werden. Auch bei der Entscheidung, vegetarisch zu leben, könnten diese Motive eine Rolle spielen.

Eine Alternative ist, dass durch den Verzicht auf die tierische Ernährung irgendein stimmungsaufhellendes Elixier abhanden kommt. Ein denkbarer Kandidat ist das Cholesterin, das wegen seiner arterienverhärtenden Wirkung einen schlechten Ruf genießt. Die Unterversorgung mit dem „bösen“ Fettbestandteil begünstigt nach neuen Forschungsarbeiten aggressives und selbstschädigendes Verhalten, das sogar in einem Selbstmord enden kann.

So gibt schon seit mehreren Jahren Hinweise, dass sich Menschen mit einem niedrigen Cholesterinspiegel gehäuft aggressiv, impulsiv und selbstzerstörerisch verhalten. Das betrifft sowohl die Personen, die von Natur aus eine geringe Konzentration des Fettbestandteils aufweisen als auch jene, bei denen der Cholesterinspiegel zu therapeutischen Zwecken verringert wird. Auch Depressionen treten bei einem niedrigen Cholesterinspiegel mit gesteigerter Häufigkeit auf. Die Cholesterinwerte im Blut von Vegetariern liegen um 19 Prozent unter denen nicht vegetarischer Probanden.

Vegetarier zeichnen sich aber auch durch einen verringerten Blutspiegel der ungesättigten Omega-3-Fettsäuren aus, die hoch dosiert fast ausschließlich im Fisch vorkommen.

Auch das Fischöl scheint einen antidepressiven Effekt zu besitzen: Wer mindestens einmal in der Woche Fisch isst, so zeigte eine Untersuchung von Wissenschaftlern der finnischen Universität von Kuopio, hat seltener mit Schwermut zu kämpfen. Es ist sogar schon gelungen, Depressionen mit Hilfe von Fischöl-Kapseln zu lindern.

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