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Gesundheit: Privates Glück

Der Boom bei den nichtstaatlichen Hochschulen ist vorbei. Doch in Berlin sind die Studierenden zufrieden

Perfekt ausgestattet, nicht anonym, mit engen Kontakten zur Wirtschaft – kurzum: Eigentlich haben private Hochschulen vieles von dem, was staatliche Massenuniversitäten vermissen lassen. Lange galten sie deshalb als die Elite-Schmieden schlechthin. Doch die große Euphorie ist inzwischen verblasst. Nicht zuletzt die Probleme der Universität Witten-Herdecke brachten die Branche in Verruf: Denn ausgerechnet die Vorzeigeuni unter den Privaten, die als einzige über ein breites Fächerspektrum verfügt und sogar Mediziner ausbildet, hatte der Wissenschaftsrat getadelt. Im Kernfach Humanmedizin zeige Witten-Herdecke deutliche inhaltliche und strukturelle Schwächen.

Vorbei ist inzwischen auch der Boom, den die privaten Hochschulen in den 90er Jahren erlebten – in Reaktion auf den Stillstand der Staatlichen und aus Angst, dass der künftige Führungsnachwuchs in Deutschland zu schlecht ausgebildet wird. Viele der über 50 privaten Hochschulen in Deutschland haben heute vor allem mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Zwar sind inzwischen mehr als 40 000 Studierende an privaten Hochschulen eingeschrieben, das allerdings entspricht nur einem Marktanteil von rund zwei Prozent.

Damit fließen weniger Studiengebühren als erhofft. Und vielerorts bleiben auch die Stiftungsgelder aus. Die Hanse-Universität Rostock etwa hat ihren Start erneut verschoben, voraussichtlich auf 2007, hieß es jetzt. Für das erforderliche Stammkapital von 20 Millionen Euro wurden nicht genügend Investoren gefunden. Und die Berliner ESMT, die im Januar ihren Betrieb aufgenommen hat, hatte ursprünglich ein Stiftungskapital von 100 Millionen Euro eingeplant, zusammengekommen sind aber nur gut 80 Millionen. Staatliche Zuschüsse erhält die ESMT nicht (siehe Kasten).

Doch nicht überall, wo privat draufsteht, ist auch privat drin: So unabhängig vom Staat, wie es auf den ersten Blick scheint, sind längst nicht alle privaten Einrichtungen. Zwischen zwei und fünf Millionen Euro erhalten sie durchschnittlich pro Jahr. Dazu kommen oft Hochschulbaufördermittel in Millionenhöhe. Der ESMT etwa überließ das Land kostenlos das ehemalige Staatsratsgebäude. In Bremen überwies der Senat der International University Bremen (IUB) rund 110 Millionen Euro Startkapital.

Nicht so einfach ist es für die Privaten, namhafte Lehrkräfte für sich zu gewinnen. Altersabsicherung und Beamtenstatus machen die staatlichen Hochschulen nach wie vor attraktiver. Zudem erhalten private Träger so gut wie keine Forschungsförderungen. Sie müssen bis zu 50 Prozent aus Sponsoring und Spendengeldern erwirtschaften. Auch das Promotionsrecht besitzen bisher erst neun private Hochschulen, darunter die ESCP-EAP, die IU Bremen und die Universität Witten-Herdecke. Ein Teufelskreis beginnt: Denn erst über exzellente Forschung gewinnen Universitäten exzellentes Personal, das dann wiederum für den guten Ruf sorgt – und letztendlich für den erhofften Zulauf. Mittelfristig könnten private Hochschulen deshalb nicht nur mehr durch gute Lehrangebote bestehen. „Auch die Privaten müssten sich künftig stärker an der Forschung orientieren“, sagte Stephan A. Jansen, Präsident der Zeppelin University in Friedrichshafen unlängst bei einem Berliner Symposium des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) und der Hertie School of Governance. „Für eine Vielfalt im deutschen Hochschulwesen brauchen wir forschungsintensivere, mehrfakultär ausgerichtete Privathochschulen statt bloße Business, Law oder Media Schools“, so Jansen. Hierfür müsse es aber auch spezielle Zuschüsse für die Privaten geben.

Ulrich Pape, Studiendirektor und Professor für Finanzierung und Investitionen an der Europäischen Wirtschaftshochschule ESCP-EAP in Berlin (siehe Kasten), sieht das anders: „Die Finanzierung ist im Grunde Sache der Hochschulen selbst.“ Dafür hätten sie mehr Freiheiten als die Staatlichen. Dazu käme das Problem, dass die privaten Geldgeber auch weiterhin mitreden wollen. Zahlt der Staat aber höhere Zuschüsse, müssten sie sich unterordnen. Die ESCP-EAP allerdings kann da auch gelassen sein – die Finanzierung der Berliner Schule ist durch die Pariser Industrie- und Handelskammer (CCIP) langfristig gesichert.

Als Privathochschule mit Promotionsrecht liege ihr Schwerpunkt zudem auf Forschung und Lehre, sagt Pape. Dazu kämen die klassischen Stärken einer privaten Hochschule: Das Alumni-Netzwerk funktioniere, und mit einem international organisierten Studiengang mit drei Abschlüssen entwickele die ESCP-EAP ein klares eigenes Profil. Aber auch an seiner Hochschule stagnieren die Bewerberzahlen. Das beunruhige ihn ebenso wenig wie die Aufholjagd der Staatlichen, versichert der Studiendirektor.

Neben dem Bologna-Prozess, der die deutschen Unis zu sechssemestrigen, praxisnahen Bachelor-Studiengängen verpflichtet, hat auch die Konkurrenz der privaten Hochschulen Veränderungen angestoßen. Längst sind Career-Center, die Studierende Berufsinformationen oder Bewerbungstrainings versorgen, an vielen staatlichen Unis Standard. „Wenn noch die Finanzierung über Gebühren kommt und die staatlichen Unis Zugangstests einführen, werden es die Privaten zunehmend schwer haben“, glaubt der Bayreuther Philosophie-Professor Rainer Hegselmann. Er hat den Bachelor-Master-Studiengang „Philosophy & Economics“ etabliert – mit Eignungstests, starkem Praxisbezug und Kooperationen mit ausländischen Unis.

Heike Foerster

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