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Gesundheit: „Rückstand zu den USA vergrößert sich“

EU-Parlament: Zu wenig Ausgaben für Forschung

Das Europäische Parlament hat dem neuen EU-Forschungsrahmenprogramm mit großer Mehrheit zugestimmt – trotz der Kritik von Abgeordneten, die geplanten Steigerungen der Ausgaben für die Forschung in Europa reichten nicht aus, um den Rückstand auf die US-amerikanische Spitzenforschung aufzuholen.

Das Programm sei zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, sagte der deutsche Abgeordnete Daniel Caspary (CDU) vor der Abstimmung gestern im Brüsseler Parlament. „Die Erwartungen der Parlamentarier werden aber meilenweit verfehlt.“ Er befürchte, der Rückstand im Vergleich zu den USA und auch zu Japan würde sich eher noch vergrößern. Die Europäische Union mache nur „bescheidene Anstrengungen“ bei den Forschungsausgaben, wenn man sie mit denen von China, Indien oder den südostasiatischen Staaten vergleiche, kritisierte der italienische Abgeordnete Umberto Pirilli. Die Mitgliedsstaaten hätten den Sonntagsworten, Forschung sei die wichtigste Zukunftsressource Europas, keine Taten folgen lassen, sagte Philippe Busquin von den belgischen Sozialdemokraten.

Hätte das Parlament das siebte Europäische Forschungsrahmenprogramm abgelehnt, wäre der Start um Monate verzögert worden. Parlament und der Europäische Rat hätten über einen neuen Kompromiss verhandeln müssen. Jetzt kann es wie geplant im Januar in Kraft treten. Bis 2013 will die EU nun also 54 Milliarden Euro für die Forschung ausgeben, durchschnittlich 40 Prozent pro Jahr mehr als im letzten Forschungsrahmenprogramm.

Das Geld wird nach dem EU-Beitritt der osteuropäischen Staaten allerdings auch unter mehr Ländern als zuvor verteilt. Um die Summe war im Vorfeld heftig gerungen worden. So forderte EU-Forschungskommissar Janez Potocnik, die Mitgliedsstaaten müssten 65 Milliarden Euro in die Wissenschaft investieren. Prognosen zufolge wird die EU derzeit ihr selbst gestecktes Ziel klar verfehlen, bis 2010 europaweit drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Forschung auszugeben. In Japan liegt die Quote bereits jetzt bei 3,2 Prozent, in den USA bei 2,7 Prozent.

Forschungskommissar Potocnik verteidigte das Rahmenprogramm dennoch. Nach jahrelanger Stagnation der EU-Forschungsausgaben sei das Programm „ein wichtiges Zeichen, dass Europa Forschung endlich ernst nimmt“, sagte er dem Tagesspiegel. Um das Lissabon-Ziel zu erreichen, müssten jetzt auch die Mitgliedsstaaten und die Wirtschaft erheblich mehr in Wissenschaft investieren. Die EU-Mittel machten schließlich nur fünf Prozent aller Gelder aus, die europaweit für die Forschung ausgegeben werden. Potocnik kündigte an, die EU werde im nächsten Jahr die Forschungsbemühungen ihrer Mitgliedsstaaten evaluieren und dann Empfehlungen abgeben, welche Länder sich mehr anstrengen müssen.

Kernstück des Forschungsrahmenprogramms wird der neue Europäische Forschungsrat (ERC) sein – aufgebaut nach dem Vorbild der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Der ERC wird die Arbeit Anfang 2007 aufnehmen und eine Milliarde Euro im Jahr an ausgewählte Forschungsprojekte verteilen. Die EU will damit erstmals in großem Umfang Grundlagenforschung fördern; bisher unterstützte sie vor allem angewandte Forschung.

22 Wissenschaftler im „Scientific Council“ des Forschungsrats sollen die Projekte rein nach Exzellenzkriterien auswählen. Es sei ein „Novum“ auf EU-Ebene, dass allein Forscher über die Vergabe von Forschungsgeldern entscheiden, sagte die deutsche Abgeordnete Angelika Niebler (CSU). Sie mahnte aber an, der Forschungsrat dürfe „kein closed shop“ werden. Die Vergabe der Mittel müsse vielmehr „offen und transparent“ erfolgen. Das Parlament wolle in zwei bis drei Jahren überprüfen, ob der Forschungsrat tatsächlich nach diesen Regeln arbeite. Falls nicht, solle die Struktur des ERC geändert werden. Erster Chef des Europäischen Forschungsrats wird Ernst-Ludwig Winnacker, der derzeitige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Das Parlament bestätigte die Haltung der EU zur Forschung mit embryonalen Stammzellen. Wie in den letzten Jahren will die EU auch künftig weiterhin grundsätzlich embryonale Stammzellforschung fördern. In Deutschland hatten die EU-Regeln wiederholt Kritik hervorgerufen, weil die Union so Projekte fördere, die hierzulande illegal seien. In Deutschland dürfen Wissenschaftler nur embryonale Stammzellen verwenden, die vor dem 1. August 2002 im Ausland entstanden sind. Ähnlich restriktive Gesetze gibt es auch in neun anderen EU-Staaten.

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