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Gesundheit: Samen aus dem Labor

Forscher züchten befruchtungsfähige männliche Keimzellen aus Stammzellen

Amerikanischen Forschern der Harvard Medical School in Cambridge und des Whitehead-Instituts in Boston ist die Züchtung von Samen-Vorläuferzellen aus embryonalen Stammzellen der Maus gelungen. Der Laborerfolg, über den in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ berichtet wird, verspricht ein besseres Verständnis nicht nur der Zellentwicklung, sondern perspektivisch auch der männlichen Unfruchtbarkeit. Zu Beginn dieses Jahres hatte der deutsche Forscher Hans Schöler, der an der Universität von Pennsylvania arbeitet, bereits über die gelungene Züchtung weiblicher Eizellen aus Stammzellen der Maus berichtet.

Eigentlich sind es nun zwei Erfolge, über die die Harvard-Forscher berichten können. Denn schon die Züchtung einer Linie embryonaler Keimzellen, aus denen sie in einem zweiten Schritt später die Samenzellen-Vorläufer entwickeln konnten, ist eine Premiere und verspricht neue Einsichten. Embryonale Keimzellen dienen der späteren Fortpflanzung des Lebewesens. Sie sind im Labor ausgesprochen schwer zu isolieren. Die Wissenschaftler züchteten dafür aus embryonalen Mäuse-Stammzellen etwas größere Zellgruppen heran, die als Embryoid- Körper bezeichnet werden. Aus diesen Gebilden fischten sie Keimzellen heraus, die sie anschließend mit Hilfe von Wachstumsfaktoren weiter kultivierten.

Von diesen Zelllinien erhoffen sich die Forscher unter anderem Aufschlüsse über die Entwicklung bestimmter Eigenarten bei Krebszellen. Denn den embryonalen Keimzellen fehlen Befehlsstrukturen, die Wachstumsprozesse im Organismus steuern. Ganz ähnliche Vorgänge lassen Krebszellen wuchern, nehmen die Forscher an.

Außerdem könnten mit Hilfe der neuen Zelllinien aber auch die Abläufe besser verstanden werden, die zur Spezialisierung von Stammzellen führen. „Dadurch könnten wir erfahren, wie man diesen Prozess umkehren und ausgereifte Gewebe-Stammzellen in das embryonale Stadium zurückführen könnte“, sagt George Daley, Zellbiologe an der Harvard Medical School und einer der beteiligten Wissenschaftler.

Spektakulärer aber ist sicher die zweite Phase ihrer Experimente, in der es den Harvard-Forschern gelang, aus den Keimzellen im Labor männliche Samenzellen zu entwickeln. Dafür ließen sie die Embryoid-Körper zwei bis drei Wochen heranreifen. Es entstanden zwar keine ausgereiften Samenzellen mit charakteristischen Schwänzen, die der Fortbewegung dienen. Doch gelang es, Mäuse-Eizellen im Reagenzglas mit den Samenzellen zu befruchten und so Embryonen mit vollem Chromosomensatz zu erzeugen.

In einem nächsten Schritt sollen die in der Petrischale gezeugten Embryonen in die Gebärmutter von Mäuseweibchen eingeführt werden. Erst dann wird sich zeigen, wie normal die im Labor gezüchteten Samenzellen-Vorläufer sich entwickeln können. Von diesem Teil der Forschung erhoffen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse über männliche Unfruchtbarkeit, aber auch über frühe Entwicklungsstörungen von Embryonen.

Wird es also bald Menschen geben, die aus Stammzellen abstammen? „Unsere Forschung zielt auf das Verständnis der normalen und der gestörten Entwicklung von Gewebe, nicht so sehr auf futuristische Absichten der Fortpflanzungsmedizin“, stellt Daley klar.

Adelheid Müller-Lissner

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