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Gesundheit: Stau im Darm

Schlankheitskapseln können den Verdauungsweg versperren

Die 21-Jährige kam wegen krampfartiger Schmerzen im rechten Unterbauch in die Klinik. Der Verdacht auf eine „Blinddarm“-Entzündung lag nahe, und als die Beschwerden der jungen Frau stärker wurden, entschlossen sich die Chirurgen zur Operation. Doch der entfernte Wurmfortsatz war kaum entzündet, und auch eine Zyste am rechten Eierstock war als Erklärung der Schmerzen nicht ausreichend. Die Operateure fahndeten deshalb weiter. Und wurden am Übergang zwischen Dünndarm und Dickdarm fündig: Dort fiel ihnen ein rechteckiger, schwammartiger Fremdkörper auf, vier Zentimeter lang und zwei Zentimeter breit, den sie nach einem Schnitt in den Darm entfernten. Nach einer Woche verließ die Patientin ohne Schmerzen das Krankenhaus.

In der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ (Band 128, Seite 1706) berichten die behandelnden Chirurgen von der Uniklinik Aachen über diesen besonderen Fall und seine Hintergründe: 14 Tage, bevor es zu den Bauchkrämpfen kam, hatte ihre Patientin mehrmals ein Schlankheitsmittel eingenommen. Eine Sättigungskapsel, deren Hülle sich im Magen auflöst und ein Schwämmchen aus Zellulose freigibt. Die Zellulose, die aus Baumwolle und Baumrinde gewonnen wird, dehnt sich dann auf das Fünfzehnfache ihrer Ursprungsgröße auf. Sie wird von der Magensäure nicht angegriffen, bleibt deshalb länger im Magen und macht für eine Weile buchstäblich pappsatt. An der Uni Köln konnte gezeigt werden, dass die Kapsel Übergewichtigen zu schnellerer Abnahme verhalf als ein Scheinpräparat.

Wenn sie den Magen verlässt, hat die Zellulose ihre Aufgabe erfüllt. Nach Angaben des Herstellers zerfallen die schwammartigen Quader im Darm denn auch in kleine Faserstückchen. Bei der jungen Frau, die im Verlauf mehrerer Tage insgesamt vier Kapseln eingenommen hatte, war das auch dreimal gut gegangen. Das vierte Schwämmchen hatte sich jedoch an einem bekannten Engpass des Verdauungstrakts, dem trichterförmigen Übergang zwischen Dünndarm und Dickdarm, verkeilt. „Warum drei der vier Zelluloseschwämmchen entweder durch Zerfall oder als Ganzes ungehindert den Übergang passieren konnten und nur eines zur teilweisen Verlegung des Verdauungsweges geführt hat, bleibt letztlich ungeklärt", schreiben die Chirurgen. Eine krankhafte Einengung hatten sie bei der jungen Frau nicht feststellen können.

Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte in einer Pressemitteilung schon 2001 auf die Nebenwirkungen der Kapseln mit dem Handelsnamen CM3 der Firma „A + G Lifesciences“ hingewiesen. Dem Amt waren zwölf Fälle gemeldet worden, in denen ein Verdacht auf Darmverschluss von Ärzten mit dem Schlankheitsmittel in Verbindung gebracht wurde. Diese Patienten hatten jedoch vor der Einnahme schon Bauchoperationen gehabt, die zu Verengungen des Darms führen können. Das Arzneiinstitut empfiehlt bei solchen Risiken, vor der Einnahme ärztlichen Rat einzuholen. Auch Apotheker sollten auf Risiken hinweisen. Denn die Kapseln sind nicht rezeptpflichtig.

Adelheid Müller-Lissner

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