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Gesundheit: Steilpass für den Robokicker

Von Paul Janositz „Beckenbauer passt zu Sammer. Jetzt kommt der Pass zu Klinsmann, Schuss, Tooooor!

Von Paul Janositz

„Beckenbauer passt zu Sammer. Jetzt kommt der Pass zu Klinsmann, Schuss, Tooooor!“ So könnte eine Reportage von der Weltmeisterschaft in Japan lauten. Wer vermutet, es handele sich um ein Spiel der deutschen Altherrenmannschaft, liegt daneben. Das Spiel ist allerdings nicht fiktiv, sondern real. Es findet tatsächlich statt. Zehntausende von Zuschauern jubeln den Spielern im „Fukuoka Dome“ zu.

Übers fünf mal zehn Meter große Spielfeld sprinten aber keine zweibeinigen Fußballer, sondern Roboter auf Rädern. Gebaut wurden sie von Wissenschaftlern der Freien Universität (FU) Berlin. Teamchef ist Raul Rojas. „Wir treten erstmals beim Weltcup auch mit Mid-Size-Robotern an“, sagt der 46-jährige Experte für Künstliche Intelligenz (KI). „Mid-Size“, das sind schlittenförmige Gestelle (siehe Infokasten). Auf der Oberfläche mit einem Durchmesser von etwa 50 Zentimetern befindet sich eine Schaumstoffschicht, in die ein Notebook gebettet ist. Das ist der Kopf des Roboters, mit dem er autonom agieren kann. „Fußballroboter sind eine große Herausforderung“, sagt Rojas.

Der Erfolg im Spiel hängt hauptsächlich von der Fähigkeit ab, sich in einer ständig verändernden Umwelt zurecht zu finden. „Unsere Roboter sind reaktiv“, erklärt Rojas. Die Spieler erkennen die tennisballgroße Kugel und versuchen, sie ins Tor zu befördern. „Die Spieler sind egoistisch", sagt Rojas. Ihre Stärke sei die Schnelligkeit. Mittlerweile haben die rollenden Kicker sogar gelernt zu flanken und auf Pässe zu warten.

Die Mischung aus egoistischem Denken und mannschaftlichem Handeln soll den Erfolg bringen. „Wie beim Flug der Zugvögel“, sagt Rojas. Der einzelne Vogel orientiere sich nur an dem links und rechts fliegenden Artgenossen. Trotzdem fliege der ganze Schwarm in einer idealen V-Form. In diesem Sinne versucht Rojas, den Robotern optimales Spielverhalten beizubringen. So wird festgelegt, wann welcher Spieler nach dem Ball geht oder besser nach vorne rollt, wann er flanken oder aufs Tor schießen soll.

Einer der Programmierer ist der Student Mark Simon. Er sitzt im Keller des Instituts vor dem Computer. Der Monitor zeigt ein grünes Spielfeld mit Toren und farbigen Kreisen, die hin- und herflitzen. Eine an der Decke angebrachte Videokamera nimmt das Training der „Small-Size-Roboter“ auf und überspielt es auf den Rechner. Das „Gehirn“ der „kleinen“ Spieler befindet sich also auf der Festplatte. Das Auge ist die Videokamera, die 30 Bilder pro Sekunde übermittelt. Der Computer gibt die Ortskoordinaten weiter. „So weiß jeder Spieler zu jedem Zeitpunkt, wo er ist“, sagt Simon.

Die 15 Zentimeter hohen Small-Size-Roboter können bis zu zwei Meter pro Sekunde schnell übers tischtennisplattengroße Feld sprinten. Die Spielkugel ist golfballgroß. Die Roboter haben unterschiedlich angeordnete farbige Muster aus Pappe auf dem „Kopf“, einer Scheibe mit etwa 18 Zentimetern Durchmesser. „Weiß steht für die Nummer des Spielers, blau ist die Mannschaftsfarbe“, erklärt Simon. Pink und grün geben dem Rechner die Richtung des Roboters an.

„Wir trainieren für das Spiel gegen die Cornell-Universität“, sagt der Wissenschaftliche Mitarbeiter Sven Behnke, der zu den Pionieren der Fußballroboterszene gehört. Konzentration ist gefragt, schließlich haben die US- Roboter das Berliner Team bei der letzten Weltmeisterschaft besiegt. Beweglichkeit und Schnelligkeit sind die Trümpfe der FU-Fighters. Garant dafür ist eine neue Konstruktion der Räder, mit denen die Roboter blitzschnell aus dem Stand in jede Richtung starten können.

Nach Vizeweltmeisterschaften 1999 in Stockholm und 2000 in Melbourne sowie einem vierten Platz 2001 in Seattle gehört die FU auch dieses Jahr in der Small-Size-Liga zum Kreis der Favoriten. Auch in der Mid-Size-Klasse sind die Chancen gut. „Wir sind die schnellsten“, betont Rojas. Mit sieben Kilo bringen die FU-Produkte das geringste Gewicht aller beteiligten Automaten auf die Waage. Die Philips-Roboter beispielsweise wiegen mit 35 Kilo das Fünffache. Zudem besitzen die Berliner Roboter eine neu ausgeklügelte Vorrichtung zum Schießen.

Mit neuer Schussstärke dürfte Roboter „Klinsmann“ seinem menschlichen Vorbild etwas näher kommen. Ob er ihn jemals erreichen kann? Die Experten für Künstliche Intelligenz sind zuversichtlich. Bis zum Jahr 2050 sollen „humanoide“, also menschenähnliche Roboter, eine Weltmeistermannschaft aus Fleisch und Blut besiegen können.

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