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Gesundheit: Studienreform an FU und HU: Leichtes Lifting

Die alte Universität soll einer Totaloperation unterzogen werden, einer großen Reform an Haupt und Gliedern. Dazu gehört, dass alle Studierenden in nicht allzu ferner Zukunft auf die neuen Master- und Bachelorstudiengänge umsteigen sollen.

Die alte Universität soll einer Totaloperation unterzogen werden, einer großen Reform an Haupt und Gliedern. Dazu gehört, dass alle Studierenden in nicht allzu ferner Zukunft auf die neuen Master- und Bachelorstudiengänge umsteigen sollen. So will es der Wissenschaftsrat, das einflussreichste Expertengremium in Deutschland. Bis zum Jahr 2005 sollen möglichst viele neue Studiengänge eingerichtet oder herkömmliche umgewandelt werden. Dann will der Wissenschaftsrat Bilanz ziehen. Ob dieser Wunsch wahr wird, ist jedoch ungewiss. Denn die alte Universität kann sich dem Eingriff offenbar nicht so schnell unterziehen, wie manche es möchten. Auch für Berlin kann man, wenn es um Master und Bachelor geht, eher von einer vorsichtigen Gesichtsstraffung sprechen. Viele wichtige Organe bleiben momentan noch unberührt.

Die Freie Universität etwa, deren Akademischer Senat als letzter im Januar ein Rahmenkonzept zur Einführung der neuen Abschlüsse verabschiedet hat, setzt mittelfristig eher auf ein Nebeneinander von neu und alt - also von Bachelor und Master neben Diplom- und Magisterstudiengängen. FU-Präsident Peter Gaehtgens will die Fachbereiche nicht mit Zielvereinbarungen zur Eile drängen: "Sie sollen die Vorzüge selbst erkennen", sagt er. Bislang sei außerdem weder die Akzeptanz des Bachelor auf dem Arbeitsmarkt noch die Besoldung im öffentlichen Dienst geklärt. Ähnlich sieht das TU-Vizepräsident Jürgen Sahm, der etwa auf die Ingenieure oder Physiker Rücksicht nehmen will. Die Freie Universität hat zur Zeit neun Master- und zwei Bachelorstudiengänge, weitere Fachbereiche haben neue Studienordnungen ausgearbeitet oder sind dabei, wie der Fachbereich für Mathematik und Informatik, die Geowissenschaften oder das John-F.-Kennedy-Institut.

Andere stehen in den Startlöchern, wie die Altphilologen, die einen neuen Studiengang zusammen mit den Archäologen und Historikern planen. Gerade die größeren Geisteswissenschaften wie die Germanistik aber, deren Studentenmassen und lange Studienzeiten schnelle Reformen besonders nahezulegen scheinen, zögern noch. Denn der Bachelor soll in einer tatsächlichen Studienzeit von nur sechs bis höchstens acht Semestern erreicht werden, der Master in zwei bis vier weiteren Semester. Kein kombinierter Studiengang darf zehn Semester überschreiten.

Kanonisierung befürchtet

Das ist wesentlich weniger als die in den Geistes- und Kulturwissenschaften üblichen vierzehn Semester. "Die Geisteswissenschaften befürchten eine Kanonisierung", sagt Michael Kaehne, Verwaltungsleiter am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften. Besonders zurückhaltend sind außerdem die Juristen und Mediziner, die sich wegen der Staatsprüfungen nicht unter Druck sehen. Dabei gibt es etwa für Bachelor-Studien in Jura bereits Vorbilder auch hierzulande.

Doch werden selbst Bachelor-Studenten nicht in den Genuss aller Vorzüge kommen, die ein reformierter Studiengang bieten soll. Im Rahmenkonzept der FU heißt es, das Bachelorstudium solle neben den Fachstudien ein Wahlpflichtangebot "zur allgemeinen Berufsvorbereitung" anbieten, wie Kurse in Fremdsprachen oder neuen Medien. Schon jetzt wollen an solchen Kursen viel mehr Studenten teilnehmen als unterkommen.

Die Bachelor-Pioniere werden sich genauso auf lange Wartelisten setzen lassen müssen: Gaehtgens gibt zu, dass neue Kurse aus finanziellen Gründen nicht eingerichtet werden können. Genauso ist die Situation nach Auskunft des für die Lehre zuständigen Vizepräsidenten, Heinz-Elmar Tenorth, an der Humboldt-Uni. Gaehtgens setzt auf eine Reform des Schulunterrichts, die es der Universität nicht länger überlässt, Grundkenntnisse zu vermitteln. Ebenso wenig wie berufsqualifizierende Zusatzkurse sind Promotionsstudiengänge in Sicht, in die besonders begabte Bachelorabsolventen direkt wechseln können.

Noch ein anderes Ziel wird aus Gründen der Finanznot kaum zu erreichen sein: Die Bachelor-Studiengänge sollen nach Wunsch der Reformer nicht bloße Umetikettierungen des bisherigen Grundstudiums der Diplom- oder Magisterstudiengänge sein. Doch in der Regel lassen die Fachbereiche die alten Studiengänge nicht fallen, wenn der Bachelor eingeführt wird. So reicht jedoch die Kapazität nicht für besonders auf den neuen Abschluss zugeschnittene Kurse.

Humboldt-Uni in der Offensive

Eine Ausnahme ist die Landwirtschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität, die als erste Fakultät in Berlin ihre Diplomstudiengänge komplett zugunsten von Master- und Bachelorstudien aufgegeben hat. Unter dem neuen Präsidium will die Humboldt-Universität bei der Umstellung auf Bachelor und Master in die Offensive gehen. Dort soll es für die Anfänger künftig nur noch Studiengänge neuer Art geben. Auch an der TU soll das Diplom in Chemie nach der Einführung des Bachelors "auf Null gesetzt" werden.

Dort, wo dies nicht geschieht, könnte es aber beim "Umlabeling" bleiben, wie FU-Vizepräsident Dieter Lenzen die Lage beschreibt: "Es kommt nichts Neues hinein, das Grundangebot wird zu Modulen zusammengefasst." Der neu eingeführte Mathematik-Bachelor der FU beispielsweise unterscheidet sich von dem Grundstudium der angehenden Diplommathematiker erst vom fünften Semester an, wenn die Bachelor-Studenten ein Praktikum absolvieren und die Diplomanden langsam Schwerpunkte fürs Examen wählen. "Wir haben aber ständig neue Lehrveranstaltungen und warten gar nicht erst auf den Bachelor", sagt Ralf Kornhuber, Professor am Fachbereich Mathematik und Informatik.

Tatsächlich können auch alte Studiengänge durch studienbegleitende Prüfungen und Modularisierung verändert werden. An der FU werden solche Reformelemente nach Gaehtgens aber meist den neuen Studiengängen vorbehalten bleiben, während TU und Humboldt-Universität die Organisation auch alter Studiengänge mit studienbegleitenden Prüfungen und Modulen verbessern wollen.

Das ist deshalb attraktiv, weil die flächendeckende Umwandlung der alten in neue Abschlüsse die Hochschulen teuer zu stehen kommen: Die neuen Studiengänge werden nicht mehr allein vom Minister genehmigt, sondern müssen von einer überrregionalen Akkreditierungsagentur beurteilt werden. Das kostet pro Fach etwa 25 000 Mark.

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