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Gesundheit: Tankstelle Mond

Wenn die Ölquellen versiegen: Helium-3 vom Mond könnte als Brennstoff für Fusionsreaktoren dienen

Von Rainer Kayser, dpa

Es erinnert fast ein wenig an die Zeiten des Goldrausches im amerikanischen Westen. Alle wollen zum Mond: die USA, Russland, China, Indien und nun auch Deutschland. Und es ist nicht länger nur von wissenschaftlicher Forschung die Rede. Immer stärker rücken die Bodenschätze in den Vordergrund, die der Mond zu bieten hat. Insbesondere in China sieht man den Erdtrabanten als Rohstoffquelle der Zukunft: In einigen Jahrzehnten schon, so das Kalkül, könnte Bergbau auf dem Mond von entscheidender Bedeutung für seine nationale Wirtschaft werden.

Im Zentrum der Diskussion steht dabei die leichte Variante eines Edelgases: Helium-3. Die Atomkerne dieses Helium-Isotops bestehen lediglich aus zwei Protonen und einem Neutron, sie besitzen ein Neutron weniger als gewöhnliches Helium. Dieses Manko macht Helium-3 zu einem interessanten Brennstoff für die Energieerzeugung. Denn die Kernverschmelzung von Helium-3 mit Wasserstoff zu gewöhnlichem Helium-4 setzt Energie frei.

Zwar ist der Energiegewinn dabei geringer als bei der gewöhnlichen Fusion von Wasserstoff zu Helium, wie sie heute in Forschungsreaktoren wie „Iter“ im südfranzösischen Cadarache versucht wird. Doch die Helium-Fusion hat einen entscheidenden Vorteil: Sie ist erheblich sauberer. Denn die Wasserstofffusion setzt große Mengen an enrgiereichen Neutronen frei. Diese verseuchen die Reaktorkammern radioaktiv und führen zu einer starken Materialermüdung. Bei der Fusion von Helium-3 wird dagegen ein Proton frei, dass sich durch elektromagnetische Felder abfangen und ebenfalls zur Energieerzeugung nutzen lässt.

Viele Fusionsforscher sehen deshalb in Helium-3 die Energiequelle der Zukunft. Allerdings gibt es da ein Problem. Auf der Erde kommt Helium-3 kaum vor. Hier kommt nun der Mond ins Spiel. Die Sonne bläst mit dem Sonnenwind auch Helium-3 ins All. Während aber die Erde durch ihr Magnetfeld gegen den Zustrom der elektrisch geladenen Helium-Ionen abschirmt wird, kann Helium-3 den magnetfeldlosen Mond ungehindert erreichen. Deshalb konnte sich der Stoff über Jahrmilliarden hinweg in der Oberfläche des Erdtrabanten ablagern.

Als Zukunftsperspektive über die Nutzung von lunarem Helium-3 nachzudenken, hält Planetenforscher Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin deshalb durchaus für sinnvoll, „aber es wird sicherlich Jahrzehnte, vielleicht 50 Jahre dauern, bis es so weit ist“. Doch der Mond hat durchaus mehr zu bieten. „Die oberen Bodenschichten sind reich an meteoritischem Material“, sagt Neukum, „und darunter finden sich nicht nur viel Eisen und Nickel, sondern auch seltene Stoffe wie etwa Iridium. Und diese Elemente werden uns quasi frei Haus an der Oberfläche geliefert.“

Im Abbau und der industriellen Nutzung dieser Rohstoffe sieht Neukum nicht nur eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit: „Der Aufbau einer Infrastruktur auf dem Mond – zum Beispiel für astronomische Observatorien, aber auch für Raumflüge zu anderen Zielen – ist ohne diese Rohstoffe kaum denkbar, der Transport von der Erde zum Mond ist viel zu teuer. Aber natürlich wird diese Entwicklung Jahrzehnte dauern.“

„Vom Land leben“, diese aus der Zeit der Besiedlung des amerikanischen Westens entliehene Devise, stellt deshalb auch die US-Raumfahrtbehörde Nasa in den Mittelpunkt ihrer Planungen für eine bemannte Mondstation. So enthält Regolith, der von Meteoriteneinschlägen zertrümmerte Gesteinsschutt auf der Mondoberfläche, große Mengen von an Metallen gebundenem Sauerstoff. Der könnte künftigen Mondkolonisten nicht nur als Atemluft, sondern auch als Raketentreibstoff dienen. Aus dem ebenfalls in großen Mengen vorhandenen Silizium wiederum ließen sich Solarzellen herstellen und so die Energieversorgung sichern. Die Metalle im Mondgestein, neben Eisen und Nickel auch Aluminium und Titan, könnten als Baumaterialien dienen.

Wenn es auf dem Mond erst einmal Bergbau, Verhüttung und verarbeitende Industrie gibt, dann könnte sich zumindest für einige Rohstoffe oder Halbfertigprodukte auch der Rücktransport zur Erde lohnen. Und natürlich auch für Helium-3, das beim Schmelzen des Mondgesteins ohnehin als Abfallprodukt anfallen würde. Wegen der geringeren Anziehungskraft des Mondes wäre ein Lastentransport von dort zur Erde billiger als umgekehrt.

Vielleicht dient der Erdtrabant aber auch eher als Ausgangsbasis zur Ausbeutung anderer Rohstoffquellen im Sonnensystem: der Asteroiden. So enthält allein der zwei Kilometer große, erdnahe Asteroid Amun nach Schätzungen des amerikanischen Forschers John Lewis von der Universität von Arizona 30-mal mehr Metalle, als die Menschheit in ihrer gesamten bisherigen Geschichte geschürft hat, darunter hauptsächlich Eisen, Nickel, Kobalt und Platin. Lewis schätzt den Gesamtwert auf mehr als 20 Billionen US-Dollar. Und es gibt vermutlich hunderte ähnlicher Himmelskörper in der Nähe der Erdbahn, die leichter zu erreichen sind als beispielsweise der Mars.

Auf schnelle Gewinne durch Rohstoffimporte aus dem All zu hoffen, ist sicherlich verfrüht. Doch als langfristige Option könnte es sich lohnen, diese Möglichkeit in die Planungen einzubeziehen. Denn sowohl die Rohstoffe als auch die fossilen Energievorräte auf unserem Planeten werden eines Tages erschöpft sein. Dann sind Nationen mit einer Präsenz im All und auf dem Mond vermutlich im Vorteil.

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