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Gesundheit: Theatrum naturae et artis: Wohin mit den Wunderkammern des Wissens?

Theatrum naturae et artis - Theater der Natur und Kunst. Unter diesem Titel machten sich Anfang diesen Jahres etwa 80 000 Berlinerinnen und Berliner sowie Besucher der Hauptstadt im Martin-Gropius-Bau ein Bild von den bisher meist unbekannten Lehr- und Kunstsammlungen der Humboldt-Universität.

Theatrum naturae et artis - Theater der Natur und Kunst. Unter diesem Titel machten sich Anfang diesen Jahres etwa 80 000 Berlinerinnen und Berliner sowie Besucher der Hauptstadt im Martin-Gropius-Bau ein Bild von den bisher meist unbekannten Lehr- und Kunstsammlungen der Humboldt-Universität. Aus mehr als 100 Einzelsammlungen, über die unsere Universität verfügt, waren (lediglich) etwa 1200 Exponate aller Art zu sehen: Stimmen aus dem Lautarchiv, archäologische Exponate und Gipsabgüsse des Winckelmann-Institutes, Gipsabgüsse, Bücher und Handschriften, alte Instrumente und Karten, medizinische Präparate, biologische Modelle und und und. Die Liste könnte schier unendlich fortgeführt werden.

Die Resonanz auf die Ausstellung war unbeschreiblich positiv. Doch nun werden die meisten Schaustücke wohl wieder in der Versenkung verschwinden müssen. Selbst die Sammlungen, die seit ihrer Entstehung bis heute aktiv in Lehre und Forschung genutzt werden, müssen zum Teil Asyl in Kellern und Schränken suchen. Nicht nur Angehörige der Humboldt-Universität bedauern dies. Und muss das eigentlich wirklich passieren? Oder könnte Berlin diese unglaublichen Schätze nicht auch als attraktiven Publikumsmagneten nutzen?

Die Humboldt-Universität kann dazu mit einem Angebot aufwarten. Wenn in diesen Tagen über die künftige Nutzung des Schlossplatzes verhandelt wird, sollten in der Diskussion die universitären Sammlungen nach unserer Auffassung eine große Rolle spielen, entstammt doch ihr Kern den Kunstkammern des Berliner Schlosses. Wenn eine Auswahl der Sammlungen so an den Platz ihrer Herkunft zurückkehrt, kann damit eine - aus unserer Sicht die einzige! - der historischen Funktionen des Schlosses rekonstruiert werden. Die Idee des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Professor Klaus-Dieter Lehmann, die Ethnologischen Sammlungen aus Dahlem ebenfalls auf den Schlossplatz zu bringen, verstärkt dieses Vorhaben insofern, als diese ebenfalls aus den Kunstkammern des Schlosses hervorgegangen sind.

Wer glaubt, hier sollte nach Meinung der Humboldt-Universität ein verstaubtes Wissenschaftsmuseum entstehen, irrt allerdings. Allein in den 66 Ausstellungstagen im Gropiusbau fanden 40 begleitende Veranstaltungen unterschiedlichster Ausrichtung statt. Etwa 50 Workshops, Symposien, Konferenzen und Ausstellungen finden monatlich an unserer Universität in unmittelbarer Nähe zum Schlossplatz statt. Immer häufiger stoßen wir dabei an die räumliche Grenze des Machbaren; die Ergänzung der musealen Flächen auf dem Schlossplatz um Konferenzräume, Hörsäle und Bühnen böte ideale Voraussetzungen für attraktive hochrangige Veranstaltungen im Zentrum der Stadt. Damit sollte ein Forum für Politik, Wissenschaft und Kultur gleichermaßen geschaffen werden. Die Humboldt-Universität kann dafür etliche Themen bieten. So ziemlich alle "großen" Themen der letzten Jahrzehnte sind hier bearbeitet und diskutiert worden: Von Fragen der Steuerreform, über die Armuts- und Arbeitslosenpolitik, bis hin zu den mit der Einführung der neuen Medien verbundenen kulturwissenschaftlichen Implikationen.

Mit der Wiedererrichtung der Wunderkammern des Wissens auf dem Schlossplatz kann rund um die Uhr Studenten, Politikern, der Wirtschaft und der Öffentlichkeit ein Informations- und Dienstleistungszentrum geboten werden. Dazu könnten wir alle technologischen Möglichkeiten zu Hilfe nehmen, um nicht nur einige veraltete Strukturen der Wissenschaftsorganisation aufzubrechen, sondern auch auf neue Möglichkeiten und auf neue Bedürfnisse einzugehen.

Das auf dem Schlossplatz geplante Gebäude wird eine Nutzfläche von etwa 150 000 Quadratmetern umfasssen. Ein Drittel davon würde von den Ethnologischen Sammlungen aus Dahlem benötigt. Siedelt man von den Sammlungen der Humboldt-Universität nur einen repräsentativen Teil ebenfalls hier an, werden weitere etwa 10 000 Quadratmeter benötigt. Für eine die Qualität der Präsentation sichernde wissenschaftliche Begleitung der Sammlungen durch das Interdisziplinäre Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik und für die zusätzlich denkbare Einrichtung eines Zentrums für Europa-Studien (mit entsprechenden Studiengängen) würden zusätzlich etwa 5000 Quadratmeter benötigt. Genug Platz also noch für Konferenzräumlichkeiten und nicht zuletzt für die Zentral- und Landesbibliothek mit tausenden Besuchern täglich. Angesichts der zentralen Bedeutung des Platzes und seiner Nutzung für die Republik sollte das Projekt von Bund und Land gemeinsam finanziert werden.

Die Humboldt-Universität bietet der Hauptstadt die einzigartige Möglichkeit, Teile der ehemaligen Kunstkammern des Schlosses zu rekonstruieren. Schätze, die sonst überwiegend nicht öffentlich zugänglich sind. In unmittelbarer Nähe zur Humboldt-Universität selbst, zum Deutschen Historischen Museum, zur Museumsinsel und zur Staatsoper kann so der Schlossplatz zu einem lebendigen Platz des Wissens werden. Der Erfolg unserer Ausstellung Theatrum naturae et artis hat gezeigt, wie sehr ein solches Konzept die Menschen in seinen Bann zieht.

Jürgen Mlynek

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