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Gesundheit: Transplantationsmedizin: Im Tod anderes Leben retten

"Wer von den Anwesenden hat einen Organspende-Ausweis bei sich?", fragte Moderator Reinhard Breuer, Chefredakteur der Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" in die Runde.

"Wer von den Anwesenden hat einen Organspende-Ausweis bei sich?", fragte Moderator Reinhard Breuer, Chefredakteur der Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" in die Runde. Nur wenige Tage nach dem Tod von Christiaan Barnard, dem südafrikanischen Chirurgen, der 1967 die erste Herztransplantation gewagt hatte, trafen sich Experten im Berliner Wissenschaftsforum zum Thema "Transplantationsmedizin - Um welchen Preis gegen den Tod?" Geladen hatte, im Rahmen der Reihe "Nachbarn Deutschland - Schweiz", die Schweizerische Botschaft, die Holtzbrinck-Verlagsgruppe, die Zeitschriften "Nature" und "Spektrum der Wissenschaft" sowie das Wissenschaftsforum Berlin.

50 000 Herzen sind seit Barnards Pioniertat weltweit schon verpflanzt worden. Am Anfang gab es heftige moralische und medizinische Bedenken, heute ist die Beherrschung der Abstoßungsreaktionen bedeutend verbessert worden, und wir haben uns an die Transplantationsmedizin schon fast gewöhnt. Mit weniger als 500 verpflanzten Herzen pro Jahr in Deutschland ist sie allerdings trotz großer Publizität "eine Medizin, die auf Einzelfälle beschränkt bleibt und mit der man keine Versorgung durchführen kann", wie Roland Hetzer, Direktor des Deutschen Herzzentrums am Virchow-Klinikum, sagte.

Mehr noch: Dank der neuen Möglichkeiten zur Verwendung künstlicher Organe und zur Gewebezüchtung, die sich am Forschungshorizont abzeichnen, wird "die Verpflanzung von Organen verstorbener Menschen in der Zukunft vielleicht als eine Episode angesehen werden". Hoffnungen weckte bei mehreren Referenten der jüngst erschienene Bericht über die Behandlung eines Herzpatienten mit Stammzellen aus seinem eigenen Knochenmark.

Noch ist trotzdem die Verpflanzung von Organen in vielen Fällen die einzige Möglichkeit zur Rettung von menschlichem Leben. Im Namen einer "Kultur des Helfens" wird sie auch von den beiden großen Kirchen ausdrücklich begrüßt, wie Bischof Wolfgang Huber sagte, der sich auf Breuers Frage schon als Träger des Organsspendeausweises geoutet hatte.

In die Zukunft blickten die Schweizer Teilnehmer der Veranstaltung. In der Schweiz soll im Jahr 2004 ein Transplantationsgesetz verabschiedet werden. 1999 wurde mit überwältigender Mehrheit ein Verfassungsartikel angenommen, der den Gesetzgeber dabei auf Grundlagen wie die Achtung der Menschenwürde verpflichtet. Bisher ausgeblieben sei in ihrem Land aber eine öffentliche Diskussion über den Bereich, in dem es "um unser Selbstverständnis, unsere Einstellung zu Leben, Sterben und Tod, unsere Vorstellungen von Identität und Integrität geht", so die Theologin und Biologin Andrea Arz de Falco von der Universität Fribourg. Arz de Falco ist auch Mitglied der Schweizer Ethikkommission für Humanmedizin, deren Einberufung "im Unterschied zu der des Nationalen Ethikrats in Deutschland relativ unbemerkt vonstatten ging".

Ein "klassisches" Problem der Transplantationsdebatte ist die Frage, ob der Hirntod wirklich den Tod der Person bedeutet. Als rationales Konzept entzieht er sich der sinnlichen Erfahrung, denn der beatmetete Körper bleibt warm, das Herz schlägt. Besteht also der eigentliche Preis der Transplantationsmedizin in der Zumutung "sich selbst gedanklich als medizinischen Gegenstand vorwegzunehmen", wie Moderator Breuer es ausdrückte? Immerhin kann jeder, der beim Ausfüllen eines Spenderausweises diese Bereitschaft zeigt, "noch im Tod ein anderes Leben retten". Mit dieser pathetischen Formulierung des Bergsteigers Reinhold Messner fand eine nachdenkliche Veranstaltung ihren Abschluss.

Adelheid Müller-Lissner

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