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Gesundheit: Traurigkeit als Dauerzustand

Eine neue Methode aus den USA gibt Depressiven Hoffnung auf Heilung

Die Depression ist die Krankheit, durch die weltweit die meisten gesunden Lebensjahre verloren gehen, ermittelte die Weltgesundheitsorganisation. Die krankhafte Niedergeschlagenheit führt nicht nur zu gesundheitlichen, sondern auch zu schweren sozialen und beruflichen Beeinträchtigungen. Aber nur die Hälfte der Betroffenen sucht und findet eine professionelle Behandlung.

Akute Depressionen klingen zwar oft von selbst ab, jede dritte aber wird chronisch. Das heißt, die Kranken sind schon seit mindestens zwei Jahren in einem desolaten Zustand. Nicht selten beginnen chronische Depressionen schon in der Jugend und können ein Leben lang anhalten. Da sie schwer zu behandeln sind, fühlen sich auch Psychiater und Psychotherapeuten in solchen Fällen oft hilflos.

Jetzt wurde auf dem Psychiatriekongress in Berlin ein vielversprechendes neues Behandlungsverfahren aus den USA vorgestellt. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hofft, dass sich der neue Ansatz auch im deutschsprachigen Raum möglichst rasch verbreitet. Der DGPPN–Präsident, Fritz Hohagen, stellte die Methode und ihren Schöpfer beim Kongress der Öffentlichkeit vor. James McCullough, Psychiater an der Virginia Commonwealth Universität, erforscht die chronischen Depressionen seit Mitte der siebziger Jahre. Er fand heraus, dass sich der Zustand nur bei 13 Prozent der unbehandelten Patienten von selbst bessert. Doch auch von diesen Glücklichen erlitt mehr als die Hälfte binnen zwei Jahren einen Rückfall. Wie der Depressionsforscher in Berlin berichtete, zeigten verschiedene Studien, dass eine Behandlung mit unterschiedlichen Antidepressiva oder mit einer der gängigen Psychotherapien zwar nützen kann, aber leider nur etwa der Hälfe der chronisch Kranken. Auch verschiedene Kombinationen aus Medikation und Psychotherapie verbesserten die Ergebnisse nicht.

Daraufhin entwickelte McCullough die erste psychotherapeutische Methode speziell für chronisch depressive Menschen. Er griff hierzu Elemente aus unterschiedlichen therapeutischen Fachrichtungen auf, von der Verhaltenstherapie bis zur Tiefenpsychologie. Eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen versprach schon deshalb Erfolg, weil eine Depression Denken, Fühlen und Verhalten gleichzeitig beeinträchtigt.

Die Therapie erfordert etwa 25 Sitzungen und wird durch Arzneimittel ergänzt. Sie hat zum Ziel, dem Kranken aus dem tiefen Loch der Hilf- und Hoffnungslosigkeit herauszuhelfen, sein Selbstgefühl zu stärken und ihn zu einer neuen Sicht der Dinge zu bringen. Durch eine Analyse seiner Situation soll er zu der Einsicht gelangen, dass er die Probleme, die er mit seiner Umwelt hat, unfreiwillig selbst produziert – also auch nur selbst lösen kann. Und er lernt, dass an seiner Isolation nicht die anderen schuld sind, sondern sein eigenes Verhalten.

Die Beziehung zum Therapeuten dient als Modell, um dem Patienten eine Beziehungsfähigkeit zu vermitteln, die er vielleicht durch seelische Verletzungen in der Kindheit nie entwickeln konnte. Bei dieser Art der Therapie hat der Patient die wesentliche Arbeit selbst zu leisten.

Wie wirksam die neue Methode ist, zeigte eine große Langzeitstudie mit Hunderten chronisch Depressiven. Nach dem Zufallsprinzip wurde eine Gruppe mit einem Medikament, eine zweite mit McCulloughs Therapie behandelt, eine dritte erhielt beides. Auf das Antidepressivum sprachen 55 Prozent an, auf die Psychotherapie 52 Prozent, aber die Kombination aus beidem half 85 Prozent der Patienten. Dieser Erfolg in der Therapie von Depressionen gilt in amerikanischen Fachkreisen als Sensation. Diese erste Vergleichsstudie, die weitere nach sich zog, erschien bereits im Jahr 2000 im Fachblatt „New England Journal of Medicine“. „Dennoch wurde dieser Durchbruch bei uns noch nicht so recht zur Kenntnis genommen“, sagte Mathias Berger von Freiburger Uniklinik. Er bedauerte, dass neue psychotherapeutische Verfahren meist erst mit großer Verzögerung bekannt werden. Ganz im Gegensatz zu neuen Arzneimitteln, für die heftig geworben wird.

Die ersten Psychotherapeuten werden jetzt auch in Deutschland in McCulloughs Methode geschult. Berger und Hohagen haben auch an der Übersetzung und Bearbeitung des Therapeutenhandbuchs von McCullough mitgearbeitet.

Informationen und Hilfe bitetet das Kompetenznetz Depression im Internet unter: www.kompetenznetz-depression.de. Der Berliner Krisendienst ist telefonisch unter 030/39063-00 zu erreichen. Das Buch „Psychotherapie der chronischen Depression. Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy – CBASP“ von James McCullough ist im Urban & Fischer Verlag (2006) erschienen.

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